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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dann im Sessel zurück.
    »Nun wissen Sie alles, Doktor«, sagte sie müde. »Ein schönes Leben, nicht wahr? Und nicht einmal Pillen, Tabletten oder Tropfen gibt es gegen diese Krankheit. Nur einen chirurgischen Schnitt: Scheidung. Aber dazu gibt mein Mann nie seine Einwilligung … und was ich Ihnen erzählt habe, wird er leugnen. Ich habe keine Zeugen! Tagsüber ist er der Ehrenmann in Person. Er überschüttet mich mit Blumen, behängt mich mit Perlen und Brillanten … alles zur Eigenreklame: Seht, wie ich meine Frau verwöhne! Sie hat den Himmel auf Erden! Und jeder glaubt es ihm. Ich bin seine potemkinsche Fassade! Nachts aber sind wir allein, da gibt es keine Zuschauer, die applaudieren … und da wird er ein Vieh!« Sie erhob sich abrupt und wischte wieder die Haare über die Schultern. »Was bin ich Ihnen schuldig? Ich überweise das Honorar auf Ihr Konto …«
    »Nichts.« Dr. Vandura schüttelte lächelnd den Kopf. »Eine Beichte ist immer umsonst … beim Pfarrer und bei Vandura. Anders ist es, wenn Sie sich in meine Behandlung geben.«
    »Was wollen Sie hier behandeln? Die blauen Flecke, die mir mein Mann schlägt? Die kann ich allein mit Alkohol oder essigsaurer Tonerde kühlen.«
    »Ich möchte Ihren Mann sprechen, Frau Hellersen.«
    Katja Hellersen wiegte abwehrend den Kopf. »Er wird nie zu Ihnen kommen. Bruno zum Arzt? Unmöglich. Der einzige, der ihn ab und zu berät, ist Dr. Zemmitz von der ›Wald-Klinik‹. Bruno kennt ihn vom Stammtisch her. Sie sind zusammen im Kegelklub und im Förderungsverein für Waisenkinder. Auch das ist nur ein Aushängeschild. Bruno mag keine Kinder, er haßt sie geradezu. Aber das Image des guten Mannes läßt er sich Geld kosten. Außerdem hat Bruno ein Grundstück an Dr. Zemmitz verkauft, auf Rentenbasis. Zwei Jahre später starb die Frau in Zemmitz' Klinik an Krebs.«
    »Sie sollten solche Zusammenhänge nicht so intensiv penetrant erzählen«, sagte Dr. Vandura. Er machte sich einige Notizen.
    »Ich kenne Dr. Zemmitz gut«, sagte er ruhig, »er ist ein Ehrenmann.«
    »Alle sind sie Ehrenmänner, alle!« Katja Hellersen zerknüllte den Zellstoff und warf ihn auf den Tisch. »Sie ahnen nicht, wieviel Zeit sie darauf verwenden, ihre weißen Westen zu scheuern. Gut. Ich will meinem Mann Ihren Vorschlag vortragen. Er wird mich auslachen!« Ihr Gesicht überzog ein ängstlicher Ausdruck. »Was soll ich überhaupt sagen, warum ich bei Ihnen war?«
    »Vermauern Sie sich hinter ein Geheimnis, das wirkt immer auf Männer. Sagen Sie einfach: Dr. Vandura möchte dich sprechen. Warum, weiß ich nicht. Er sagt es mir nicht! Vielleicht bin ich krank … Jeder Mann ist neugierig. Neugieriger als die Frauen – sie wollen es bloß nicht zugeben! Er wird mit einigen Phrasen Sie beruhigen wollen … und dann doch kommen.«
    »Bruno nicht. Für ihn wäre meine Qual ein Vergnügen. Er ist ein Sadist.«
    »Eben darum wird er kommen. Sadisten haben eine Sucht, immer Neues zu erfahren.«
    »Sie kennen Bruno nicht, Doktor.«
    »Ich werde ihn kennenlernen –«
    Obwohl Katja Hellersen meinte, sie sei stark und sicher genug auf den Beinen, um allein nach Hause zu gehen, brachte Dr. Vandura sie mit seinem Wagen bis vor die Tür der Hellerschen Villa. Es war ein großer Besitz, im teuersten Viertel von Grünwald. Ein weißer Wohlstandspalast in einem Park. Ein Gärtner war gerade dabei, den englischen Rasen zu scheren. Leise zischend drehten sich die Wassersprenger in den Blumenbeeten. In Kübeln wiegten Palmen im leichten Wind.
    »Der Spezialist für Süden!« sagte Katja bitter. »Leben Sie wohl, Doktor.«
    »Auf Wiedersehen«, antwortete Vandura.
    Er wußte, daß er Katja Hellersen bestimmt wiedersehen würde.
    »Störe ich Sie beim Essen?« fragte Bruno Hellersen und blies den Rauch seiner Zigarre in die Telefonmuschel. Er saß in seiner Bibliothek hinter dem mit grünem Ziegenleder bespannten Schreibtisch und fuhr sich mit der linken Hand über seine Glatze. Sein dicker runder Kopf war gerötet, sein Atem roch nach Rotwein, die hellblauen Augen schwammen wie in Wasser. Das weiße Hemd mit den breiten blauen Streifen war unter den Achseln und zwischen den Schulterblättern durchgeschwitzt. Es war ein heißer Tag gewesen, und wer zwei Zentner Gewicht mit sich herumschleppt und über zu hohen Blutdruck verfügt, spürt ihn dreifach.
    Bruno Hellersen bemühte sich, nicht kurzatmig ins Telefon zu sprechen. »Die Pumpe ist im Eimer!« sagte er manchmal im Freundeskreis. »Geliebt, gesoffen
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