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Ich bin dann mal alt

Ich bin dann mal alt

Titel: Ich bin dann mal alt
Autoren: Johannes Pausch , Gert Boehm
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Vorwort
Altwerden in unserer Gesellschaft – zwischen Weltuntergang und neuer Perspektive
    Unsere Politiker und die Staatsbürokraten besänftigen alternde Menschen mit allerlei Versprechungen für einen paradiesischen Lebensabend: mehr Sicherheit im Verkehr, innovative Wohnprojekte, bessere Einbindung ins gesellschaftliche Leben durch verstärktes bürgerschaftliches Engagement, Entbürokratisierung der Altenpflege, sinnvolle Palliativmedizin und Sterbebegleitung durch die Hospizbewegung, die bessere finanzielle Unterstützung pflegender Angehöriger, neuartige Gemeinschaftsprojekte, in denen sich die Senioren gegenseitig helfen können – die Liste mit Vorschlägen für eine zukünftige Seniorenpolitik ist lang und voll schöner Worte. Allein 300 eng beschriebene DIN-A4-Seiten umfasst der fünfte offizielle Regierungsbericht »Zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland« aus dem Jahr 2006. Er enthält zahlreiche Vorschläge, wie ältere Menschen in Zukunft betreut, versorgt, beschäftigt und bei Laune gehalten werden sollen.
    Der Mensch ist ein spirituelles Wesen
    Leider sieht die Realität ganz anders aus. Denn so nützlich und gut gemeint all die Empfehlungen auch sein mögen: Sie zielen fast immer nur auf die materielle Seite des Altwerdens ab – und übersehen dabei, dass der Mensch vor allem ein spirituelles Wesen ist, in dem körperliche, seelische und geistige Erfahrungen auf geheimnisvolle Weise miteinander vernetzt sind. Zwischen
diesen drei Erfahrungsebenen gibt es – für uns oft undurchschaubare – Zusammenhänge. Deshalb ist es nicht besonders intelligent, die Probleme des Altwerdens nur auf der körperlich-materiellen Ebene lösen zu wollen. Dann nämlich bleiben die meisten Initiativen ohne Geist und ohne Begeisterung, ohne Liebe und ohne »Feuer« – und die Pflegebedürftigen empfinden ihre Betreuung als einen bürokratischen Akt, bei dem es offenbar nur darauf ankommt, dass jeder Handgriff der Helfer peinlich genau protokolliert wird. Wer jemals die von einer überbordenden Bürokratie vorgeschriebenen 20 Formblätter gesehen hat, mit denen ein Altenheim die Betreuung jedes einzelnen Bewohners »dokumentieren« muss, kann nur den Kopf schütteln. So ein System kann – und darf! – auf Dauer nicht überleben. Denn die bürokratische Krake vergisst den Hauptzweck der Altenbetreuung: die menschliche Zuwendung. Doch diese steht nicht mehr an erster Stelle, vielmehr geht es um eine lückenlose Kontrolle. Um unter den sozialen Betreuungsfirmen in Ausnahmefällen einmal ein »schwarzes Schaf« zu erwischen, werden alle anderen mit völlig überzogenen Kontrollen gepiesackt. Statt dem bettlägrigen Heimbewohner übers Gesicht zu streicheln, muss die Pflegerin oder der Pfleger Formblätter ausfüllen und Protokolle schreiben – welch ein Irrweg! Doch die Überbürokratisierung missachtet nicht nur die betroffenen Alten, sondern vergrault auch die Helfer: Viele Altenpflegerinnen und Altenpfleger, die ihre Arbeit am Menschen einmal hoch motiviert begonnen haben, steigen nach weniger als fünf Jahren völlig frustriert aus diesem Beruf wieder aus.
    Alzheimer – ein »normaler« Ausstieg aus dem Leben?
    Vielleicht gibt es sogar einen Zusammenhang zwischen der Enttäuschung über ihr Leben, die alte Menschen empfinden, und den stark zunehmenden Demenzerkrankungen. Der Verfall der Gedächtnisleistung und Denkfähigkeit wird ja auf altersbedingte Veränderungen im Gehirn zurückgeführt. Trotz ständig wachsender Erkenntnisse wissen wir aber noch zu wenig über diese schreckliche Krankheit, an der allein in Deutschland über eine Million Menschen leiden. Es wird vermutet, dass die Betroffenen am Leben nicht mehr teilnehmen, weil sie dazu nicht in der Lage sind. Aber könnte es nicht sein, dass sie dieses Leben gar nicht mehr wollen, dass ihre Verweigerungshaltung also vor allem psychische Ursachen hat? Sind demenzkranke Menschen vielleicht deshalb so frustriert, weil sie sich in der »normalen«, kalten Gesellschaft gar nicht mehr aufhalten möchten? Ihre Fähigkeit, ihre Umgebung und andere Menschen wahrzunehmen und mit ihnen zu kommunizieren, schwindet – und mit dem allmählichen Verlöschen ihrer Persönlichkeit verlieren sie ihre Würde und sind rund um die Uhr auf Pflege angewiesen. Ist es denkbar, dass ihr Gedächtnisschwund nicht nur die Folge einer Gehirnerkrankung ist, sondern der – im Schöpfungsplan vorgesehene – unbewusst vollzogene Abschied des Menschen von
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