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Der Wüstendoktor

Der Wüstendoktor

Titel: Der Wüstendoktor
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Vandura suchte in allen Zoos von Deutschland und Europa Affen mit Arterienverkalkung. Es war eine mühsame Suche, denn wenn auch der Mensch vom Affen abstammt, verkalkten die Menschen öfter als ihre Urverwandten.
    Wundert es, daß der Name Vandura umflossen war von der Aura geheimnisvoller Sensationslüsternheit?
    Die Frau auf der roten Chaise öffnete jetzt voll die Augen. Ihre Iris ist dunkelblau, dachte Vandura. Und das bei schwarzem Haar? Eine seltene Kombination.
    »Guten Tag«, sagte er freundlich. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken holen? Ein Glas Sekt? Es wäre genau das Richtige …«
    »Ich … ich möchte nach Hause!« Die Frau richtete sich auf, blieb aber auf der Chaise sitzen. Sie fuhr sich mit beiden Händen durch die langen Haare und schlug sie nach hinten über die Schulter. »Ich fühle mich schon wieder stark genug …«
    »Darüber sollte jetzt der Arzt bestimmen.« Dr. Vandura tröpfelte ein wenig Kölnisch Wasser auf ein Stück Zellstoff und reichte es der Frau. Sie drückte es an die kleine, schmale, gerade Nase und lächelte ihn zurückhaltend an.
    »Danke.«
    »Woher kommt der runde rote Fleck an Ihrer rechten Halsbeuge?«
    Die Frau schrak zusammen und drückte den Zellstoff gegen den Hals.
    »Ich weiß nicht …«, stotterte sie. »Ist dort etwas? Ich spüre nichts. Vielleicht eine Druckstelle?«
    »Bestimmt eine Druckstelle. Es sieht wie eine Prellung aus. Als wenn ein harter Gegenstand …«
    Die Frau sprang auf und knöpfte ihr Kleid zu. Den hochgeschobenen Büstenhalter ließ sie in der Eile, wie er war. Sie brauchte ihn eigentlich auch nicht – ihre schöne Brust war fest und bedurfte keiner Unterstützung.
    »Sie haben kein Vertrauen zu mir …«, sagte Dr. Vandura sanft.
    »Doch. Aber … ich … Es ist so furchtbar …« Sie schlug beide Hände vors Gesicht und begann lautlos zu weinen. Vandura führte sie am Ellenbogen zu einem tiefen Ledersessel, drückte sie hinein und setzte sich ihr gegenüber auf die Tischkante. Dann umfaßte er ihren zuckenden Kopf und schob ihn hoch.
    »Wie heißen Sie?«
    »Katja Hellersen.«
    »Ich habe den Namen schon einmal gehört.«
    »Mein Mann ist Grundstücksmakler. Er verkauft ganze Ländereien – in Spanien, auf Elba und Sardinien, in Griechenland … Zukunftsland. In ein paar Jahren werden dort Fremdenverkehrszentren sein. Im Augenblick verkauft er Inseln in der Ägäis. Wollen Sie auch eine haben? Für 300.000 DM können Sie König spielen mit einem eigenen kleinen Inselreich …«
    Unendliche Bitterkeit klang aus diesen Worten. Auflehnung gegen ein Vandura noch unbekanntes Schicksal. Ein Anklageschrei.
    »In der Ägäis stört mich die weißglühende Sonne. Sie vernichtet uns Mitteleuropäern die Augen.« Dr. Vandura hielt noch immer Katja Hellersens Kopf umklammert. »Und was vernichtet sie bei Ihnen?«
    »Alles! Mich zuerst …« Katjas blaue Augen verschwammen. Vandura nahm ein Stück Watte und trocknete die Tränen. »Ich habe meinen Mann geliebt. Als wir heirateten, war es das große Glück. Er vermittelte Wohnungen, ein paar Häuser, Eigentumswohnungen. Dann kam das große Geschäft. Zuerst Spanien. Costa brava, Costa del Sol, Costa d'oro … Küsten, Küsten, Küsten … Dann kamen die Inseln dran – Mallorca, Ibiza, Sardinien, Elba, Menorca. Bruno Hellersen verkaufte halb Europa!«
    »Und das regt Sie auf? Es ist doch für eine Frau eine Freude, einen erfolgreichen Mann zu haben.«
    »Aber mit dem Erfolg kam das andere …« Katja Hellersen sprang auf und schüttelte die Hände Vanduras ab. »Er wurde ein Vieh!« schrie sie plötzlich grell. »Ein richtiges Vieh! So benimmt sich kein Mensch mehr. Er muß verrückt sein … Er … er ist ein Teufel!«
    Sie lehnte sich gegen die Wand und preßte den Zellstoff mit dem Kölnisch Wasser gegen ihr Gesicht. Vandura schwieg. Der Damm war gebrochen, die Seele flutete heraus. Jetzt zu fragen, wäre ein Fehler gewesen. Jeder Psychologe weiß das – zuhören ist die Kunst der Psychiatrie. Zuhören und schweigen. Ein paar kurze, steuernde Fragen, wenn der Patient stockt, in sich sucht, einen neuen Faden ertastet … und dann wieder schweigen, sprudeln lassen … eine geöffnete Seele ist wie eine Quelle …
    Und Katja Hellersen sprach. Eine Stunde lang rauschte der Wasserfall ihrer Seele über Dr. Vandura. Dann war sie erschöpft, nahm gehorsam die Tropfen, die Vandura in ein halbvolles Glas Wasser abzählte, verzog etwas die schönen Lippen, denn die Medizin schmeckte bitter, und lehnte sich
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