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Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Der Wolkenkratzerthron (German Edition)

Titel: Der Wolkenkratzerthron (German Edition)
Autoren: Tom Pollock
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vorläufig beendet erklärt.
    Detective Inspector Ian North, der Ermittlungsleiter in diesem Fall, sagte: »Wir werden die Suche nach dem kleinen Michael nicht endgültig einstellen, doch in den vergangenen neun Monaten hat es keinerlei neue Erkenntnisse gegeben. Unsere Hotline bleibt selbstverständlich weiter geschaltet … «
    Beth hörte auf zu lesen und richtete ihre Augen erneut auf das Foto. Die Bildunterschrift lautete: Genevieve und Stephen Williams bitten die Öffentlichkeit um Nachricht von ihrem vermissten Sohn .
    »Ich hab ihn erkannt, als du seine Leiche nach draußen geschleppt hast«, sagte ihr Vater. »Ist schon unheimlich – ich hab das nur ausgedruckt, weil du auch verschwunden warst.«
    Eine eiskalte Last hatte sich in Beths Eingeweiden breitgemacht. Hektisch durchwühlte sie ihre Tasche nach der Skizze von Fil, strich sie glatt und hielt sie neben den Ausdruck: das Porträt des Prinzen neben das Foto der verzweifelten Eltern.
    Paul verzog mitfühlend das Gesicht. »Der arme Kerl sieht genau aus wie sein Vater – he, was ist los?«
    Beth hatte sich urplötzlich hingesetzt, dabei aber den orangeroten Plastikstuhl verfehlt, sodass sie hart mit dem Steißbein auf dem Betonboden landete. Sie wollte protestieren; er irrte sich – ihre eigenen Augen irrten sich. Filius Viae konnte nicht der Sohn dieser Leute sein; das Ganze musste ein Irrtum sein – er war der Sohn der Straßen, der Sohn von Mater Viae . Er hatte unmenschliche Kräfte . Er konnte schneller rennen als ein Gleisgeist, konnte mit bloßen Händen Gerüststangen zertrümmern, an der glatten Fassade eines Wolkenkratzers hinaufklettern …
    Alles Dinge, die du auch kannst seit deinem Bad im Synodentümpel , rief eine gelassene innere Stimme ihr in Erinnerung.
    Fragen und Zweifel schwirrten ihr durch den Kopf, doch sie verschwanden wieder, als schlichte Logik die offensichtlichen Antworten gab. Fragen wie: Warum hat Reach überhaupt versucht, Fil mit einem Gleisgeist zu töten? Mit drei schnellen Schritten war sie beim Besenschrank in der Wand gegenüber. Sie griff hinein und befreite den Eisenspeer aus dem Haufen von Plastikfolien, zwischen denen sie ihn versteckt hatte. Sie stürzte durch die Tür zur Feuertreppe und wirbelte die Stufen hinauf, während ihr Vater verzweifelt hinter ihr herschnaufte.
    »Wo willst du hin? Bitte, geh nicht, Beth, nicht schon wieder. Ich hab dein Zimmer aufgeräumt. – Ich – «
    Beth stürmte in einen Flur im vierten Stock. Düstere Wut saß ihr im Magen wie ein glimmender Holzscheit. Man hatte sie die ganze Zeit angelogen – und was noch schlimmer war, auch Fil war belogen worden, über alles . Hinter einer regennassen Fensterscheibe entdeckte sie, wonach sie suchte: Eine dünne schwarze Telefonleitung streckte sich aus der Außenwand des Gebäudes. Das Fenster war eins von denen, die sich nur ungefähr zwanzig Zentimeter weit aufschwingen lassen, doch Beth war schließlich neu erschaffen ; sie schlängelte sich in den Spalt und glitt mithilfe des öligen Schweißfilms auf ihrer Haut geschmeidig hinaus auf den Sims.
    Ihr Vater blieb im Flur vor dem Fenster stehen, die Hände gegen das Glas gepresst, die Augen weit aufgerissen. Sie sah, wie seine Lippen die Worte formten. »Komm nach Hause.«
    Beth zögerte kurz, dann rief sie ihm zu: »Das werd ich, versprochen, aber vorher muss ich noch eine Sache erledigen.« Sie kletterte seitwärts wie eine Krabbe und hockte sich sacht wie eine Taube auf die isolierte Telefonleitung. Nach dem Regen schien der Mond jetzt hell. Ein schneidender Wind bewegte die Luft, aber Beth war nicht kalt.
    »Beth!« Die verzweifelte Stimme ihres Vater drang durch das Glas.
    »Ich bin bald wieder zurück, Dad«, versprach sie ihm, dann jagte sie davon, das Kabel entlang, hinaus in die Nacht.

Kapitel 55
    Vor sich hin pfeifend fegte Gossenglas die Wege zwischen den Abfalldünen mit ihrem steifborstigen Besen. Die Wischmopphaare hatte sie sich zurückgebunden, ihr Mülltütenrock bauschte sich in der Brise. Sie hielt es für eine sträfliche Zeitverschwendung, mit dem Frühjahrsputz bis zum Frühjahr zu warten.
    Die Deponie war an klaren Wintermorgen wunderschön. Die Altmetallgipfel glänzten in der noch immer aufgehenden Sonne, und hier und da funkelten Glasscherben wie darin eingebettete Edelsteine. Der Duft der Schimmelpilzblüte und der Vergissmeinsofortwieder stieg schwer und berauschend in ihre Nase. Irgendwo in der Ferne stöhnten die Müllwagen, die immer neue Tribute an
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