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Der Wolf aus den Highlands

Der Wolf aus den Highlands

Titel: Der Wolf aus den Highlands
Autoren: Hannah Howell
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rabenschwarzes Haar ließ ihre helle Haut noch cremefarbener schimmern, und ihre großen, nachtblauen Augen zogen einen Mann an wie eine Flamme die Motte. Nach drei einsamen Jahren wusste er, dass er aufpassen musste, dass seine unbefriedigten Gefühle ihn nicht vom rechten Weg abbrachten. Dennoch konnte er es kaum erwarten, seine Bekanntschaft mit Mistress Annora zu vertiefen.
    Plötzlich fragte er sich, ob Mistress Annora Donnells Geliebte war, und gleichzeitig fragte er sich, warum ihn dieser Gedanke in Rage versetzte. Wahrscheinlich kam seine Wut daher, weil er nicht wollte, dass eine solche Frau sich um sein Kind kümmerte. Wahrscheinlich war es unfair zu glauben, dass diese Frau mehr war, als sie zu sein vorgab. Aber sie war so schön, dass die Vermutung nahelag, dass Donnell sie nicht in Ruhe ließ. Mistress Annoras wahre Stellung auf Dunncraig Keep war eine weitere Frage, auf die er eine Antwort finden musste.
    Er trat auf die Straße und starrte zu dem Wohn- und Wehrturm hinauf, der einst sein Zuhause gewesen war. Bald würde er wieder dort sein. Er würde den Keep als Kunsthandwerker betreten, beabsichtigte aber, als Laird zu bleiben. Und Mistress Annora konnte noch so schön sein – wenn sie bei Donnells Machenschaften eine Rolle spielte, würde sie rasch herausfinden, dass ihre Schönheit sie nicht schützte.

2
    Die Wut brach so rasch über Annora herein, dass sie keine Gelegenheit hatte, sich zu schützen. Das heftige Gefühl trübte ihren Verstand und drehte ihr den Magen um. Sie legte eine zitternde Hand auf den Bauch, die andere flach auf die kalte Steinwand des Korridors im Obergeschoss, um sich zu stützen. Sie musste sich eine Weile konzentrieren und langsam und tief atmen, um das Gefühl abzuwehren, bis sie es nur noch als vorhanden spürte, jedoch nicht länger davon verzehrt wurde. Es kostete sie allerdings Mühe, sich völlig davon zu befreien. In solchen Momenten hasste sie ihre seltsame Fähigkeit, die Gefühle anderer zu spüren, denn offenbar waren die schlimmsten Gefühle die stärksten und trafen sie am härtesten.
    Sie verzog das Gesicht und sah sich um. Ihr wurde klar, dass sie nur wenige Schritte von Donnells Schlafgemach entfernt war. Zuerst dachte sie, dass wieder einmal jemand Donnells Zorn erregt hatte, doch dann schüttelte sie den Kopf. Sie kannte den herben, bitteren Geschmack der Wut ihres Cousins zu gut. Die Wut, die sie soeben gespürt hatte, fühlte sich anders an und schmeckte auch anders. Doch abgesehen von Donnell und Egan kannte Annora niemanden auf Dunncraig, den je eine derart heftige Wut gepackt hatte.
    Als sie sich wieder gefasst hatte, schlich Annora zu Donnells Schlafgemach. Die Tür stand offen, aber sie hörte keine lauten Stimmen und auch nicht das Geräusch von Fäusten, die auf jemanden einschlugen, ja nicht einmal das leiseste, schmerzerfüllte Wimmern. Das ergab keinen Sinn – wo waren die unvermeidlichen Folgen einer solchen Wut? Wären Donnell oder Egan die Wutbesessenen, herrschte nicht diese Ruhe in dem Raum, sie hätte vielmehr etwas von den Schmerzen gehört oder gespürt, die ein armer Mann oder eine Frau erduldeten, während sie brutal bestraft wurden.
    Plötzlich hatte sie Angst, dass Donnell die Person, der seine Wut galt, ernstlich verletzt, ja vielleicht sogar getötet hatte. Leise trat sie näher und spähte vorsichtig ins Zimmer, auch wenn eine kleine Stimme in ihrem Kopf sie für diese Torheit schalt: Was hätte sie schon tun können, um jemandem zu helfen, der die Wut ihres Cousins oder seines Ersten Mannes entflammt hatte? Doch sie hörte nicht auf die warnende Stimme und sah sich trotzdem um. Annora konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, vor Überraschung laut aufzukeuchen und sich zu verraten.
    Auf dem Boden lag kein zerschmetterter, blutiger Körper, nichts wies auf einen Streit hin, nicht einmal ein umgekippter Hocker. Donnell und der gut aussehende Holzschnitzer aus dem Dorf standen vor der großen Feuerstelle, begutachteten die Einfassung und unterhielten sich in aller Ruhe.
    Annora nahm vorsichtig Verbindung zu der Quelle der Wut auf, die sie so berührt hatte, und plötzlich stand sie kerzengerade im Türrahmen. Die Wut stammte von dem Holzschnitzer!
    »Was habt Ihr hier zu suchen?«, fragte Donnell barsch.
    Annora blinzelte. Ihr war, als wäre sie soeben grob aus einem tiefen Schlaf gerissen worden. Die Bestürzung darüber, dass der leise sprechende Mann, der so bescheiden vor Donnell stand und ganz ruhig mit ihm redete, in
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