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Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Titel: Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Autoren: Anna Weidenholzer
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Mayr, sagte Maria. Die sitzt doch dort hinten, sagte die Pflegerin. Isolde saß mit dem Rücken zum Aufzug und spielte mit ihren Zähnen, die ihr zu groß geworden waren. Maria versuchte, sich ihr so zu nähern, dass Isolde sie bemerken würde. Sie sagte, hallo, ich hoffe, ich störe nicht.
    Hallo, ich hoffe, ich störe nicht, sagt Maria auch, als sie an diesem Augustdienstag Isoldes Zimmer betritt. So eine Freude, sagt Isolde und umarmt Maria, wer kommt denn da. Maria, antwortet Maria, hast du wieder die Bären umgestellt. Ja, sagt Isolde, sie schauen gern zum Fenster hinaus, aber nur, wenn die Sonne scheint. Hier scheint die Sonne gut, meine Bären, meine Bärenmädchen. Kein Mann dabei, fragt Maria. Nein, sagt Isolde, einen Mann brauchen wir hier nicht, sie streicht einem Bären über den Kopf. Setz dich doch, bitte, nimm Platz. Ich hoffe doch, dass ich bald wieder nach Hause kann, in meine Wohnung, ist alles in Ordnung, fragt Isolde und fährt über die Tischdecke. Es ist alles in Ordnung, sagt Maria. Ihr passt auf, du und dein Mann, sagt Isolde und bricht ab, fährt von der anderen Seite über die Tischdecke. Ja, sagt Maria, wir kümmern uns. Danke, sagt Isolde, sie kämmt ihr Haar. Darf ich das Fenster öffnen, fragt Maria und öffnet das Fenster, es ist ein schöner Tag. Gewiss, sagt Isolde, ich muss mich noch taufen, und geht zum Waschbecken, wo sie Wasser über ihre Arme laufen lässt. Schau, ein Flugzeug, sagt Maria, wie blau der Himmel heute ist. Morgen fahre ich in meine Wohnung, sagt Isolde, sie setzt die Bärenmädchen auf das Bett, deckt sie zu, erst dann schaut sie mit Maria aus dem Fenster. Ein Flugzeug zieht einen Strich nach sich. Isolde sagt: Wer immer zu Hause bleibt, entkommt der Welt nicht. Der Tag vergeht, das Licht verbrennt. Fangen wir wieder von hinten an.
    Wie ist die Arbeit, fragt Isolde, als sie mit dem Finger die Sonne drei Mal umrundet hat. Wie geht es Frau Willert, fragt Isolde und schaut Maria an. Frau Willert, sagt sie, ist schon lange tot, du weißt doch, das war bei der Inventur. Isolde überlegt eine Weile, dann sagt sie: Stimmt, der ist das Herz gebrochen. Aber Herr Willert ist noch ganz, fragt sie, und Maria sagt, ja, Herrn Willert geht es gut. Er ist der Letzte, der am Abend das Geschäft verlässt. Er lässt sich das Arbeiten nicht nehmen, obwohl ihn sein Rücken schmerzt. Er erkundigt sich oft, wie es dir geht. Er würde sich freuen, wenn du ihn besuchen kommst. Gestern haben wir neue Ware bekommen, die neue Kollektion, diesen Herbst trägt man Lila in allen Variationen, aber die Stoffe sind nicht mehr das, was sie früher waren, du würdest dich wundern. Isolde schaut geradeaus, lächelt. Entschuldigung, sagt Maria und steht auf. Die Fliesen im Bad sind blau und klein, der Boden grau, schwellenlos. Eine Wespe krabbelt am Boden, sie zieht ein weißes Haar hinter sich her. Maria hört ein Geräusch, während sie auf der Toilette sitzt, wahrscheinlich sucht Isolde etwas, denkt sie und spült hinunter, tritt kräftig auf die Wespe, ein zweites Mal, damit sie nicht mehr zuckt, ein drittes Mal zur Sicherheit. Dann bückt sie sich und wischt die Wespe vom Boden auf, der Rücken schmerzt. Isolde lebte bereits in der Wohnung gegenüber, als Maria und Walter in das Haus einzogen. Isolde kümmerte sich, sie warf die Prospekte weg, die Austräger vor die Wohnungstüren gelegt hatten, sie sammelte Alufolienreste für die Katze einer Nachbarin. Damit sie etwas zu spielen hat, sagte Isolde, wenn sie Alufolienklumpen vor Tür Nummer siebzehn legte. Isolde führte Liste über Geburtstage im Haus. Wenn es im Stockwerk etwas zu feiern gab, kaufte sie in der Confiserie Pralinen. Mochte einen Isolde, legte sie eine kleine Flasche Sekt bei. Maria bekam jedes Jahr Sekt, nur einmal nicht, da war Isolde erkrankt. Es war Isolde, die an einem warmen Frühlingstag gesagt hatte, Herr Willert sucht Personal, bewerben Sie sich doch, der Verdienst ist gut, das Arbeitsklima ist gut. Überlegen Sie, so eine Gelegenheit bietet sich nicht jeden Tag, und ich würde mich freuen, Sie als Kollegin zu haben.
    Als Maria aus dem Bad kommt, steht Isolde vor dem offenen Kleiderschrank. Suchst du etwas, fragt Maria. Ich habe heute keinen Büstenhalter umgeschnallt, sagt Isolde, hast du einen. Ja, sagt Maria. Ich habe immer einen umgeschnallt, sagt Isolde, nur in der Nacht, da nicht. Ich soll dich lieb von allen grüßen, sagt Maria und atmet tief durch, besonders von Herrn Popovic, Herrn Willert und Walter. Pass gut
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