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Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Titel: Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Autoren: Anna Weidenholzer
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dass Milica einen Teppichboden haben und das Ablegen der Schuhe verlangen könnte. Sie hebt ihre Füße beim Gehen deshalb nur ein wenig, damit Milica die Risse nicht sieht. Angenehm, nicht, sagt Milica, als Maria über ihren Teppichboden schleicht, schön weich, nur das Putzen ist schwierig, aber ich habe ohnehin keine Tiere in der Wohnung. Der Schmutz, den Tiere machen, ist unerträglich, setz dich doch, bitte, nimm Platz. Otto machte keinen Schmutz, denkt Maria, als sie auf Milicas Couch sitzt und Milica in der Küche hört. Maria fragt: Soll ich dir helfen. Danke, ich komme gut allein zurecht, bleib du nur sitzen. Es ist ein warmer September, denkt Maria, er wird es gut haben. Iss, sagt Milica, als sie wieder neben Maria Platz genommen hat, ich habe noch mehr in der Küche. Maria isst, und Milica sitzt neben ihr, die Hände im Schoß. Möchtest du nichts, fragt Maria, nein, sagt Milica, ich habe schon. Es schmeckt sehr gut, sagt Maria, was ist das. Burek, sagt Milica, das ist Burek. Selbstgemacht, fragt Maria und isst, ohne dass der Burek vor ihr weniger wird. Selbstgemacht, sagt Milica und geht hinüber in die Küche, von wo sie mit einem Teller Baklava zurückkommt. Maria isst und erinnert sich an die erste Begegnung mit Walters Eltern, sie wollte einen guten Eindruck machen, sie wollte viel essen, aber die Rote-Rüben-Suppe wurde nicht weniger. Schmeckt es dir denn nicht, fragte Walters Mutter und seufzte. Sehr gut, sagt Milica, als Maria zwei Stück Burek und Baklava gegessen hat, jetzt trinken wir Kaffee. Komm mit, sieh mir zu.
    Eine kleine gusseiserne Kanne steht auf dem Herd in der Küche. Milica gießt Wasser hinein, sie sagt: Das Wasser muss sehr heiß werden, es darf nicht kochen. Damit machst du Kaffee, fragt Maria, ja, antwortet Milica, so macht man das. Die Waschmaschine neben dem Herd schleudert, und die Platte darüber wackelt. Jetzt ist es heiß genug, sagt Milica, als das Wasser dampft, weißt du, man braucht viel Zeit, um Kaffee zu kochen. Aus der Dose neben dem Herd schüttet Milica Kaffeepulver in die Kanne, rührt um und stellt sie zurück auf den Herd. Jetzt müssen wir warten, sagt sie, wir müssen warten, bis der Kaffee beginnt, wie soll ich das erklären, bis der Kaffee, er darf nicht kochen, aber der Schaum muss in die Höhe treiben. Eine Weile stehen Milica und Maria vor dem Herd, sie sprechen nicht und sehen dem Kaffee zu. Warum macht man das so, fragt Maria, und Milica antwortet: Das macht man so. Dann schauen sie weiter dem Kaffee zu. Jetzt, sagt Milica und zieht die Kanne vom Herd, woraufhin der Schaum in sich zusammenfällt. Und dann, fragt Maria. Komm mit, sagt Milica.
    Die Tassen stehen auf einem goldenen Tablett, auch eine Schale mit Zuckerwürfeln, zwei Löffel liegen daneben. Milica stellt die Kanne dazu und trägt das Tablett ins Wohnzimmer: Wir müssen schnell sein und dann langsam, Kaffee trinkt man heiß und mit Genuss. Dort wo Maria zuvor gesessen ist, liegt ihre Tasche. Sie setzt sich neben sie, vorne, an den Rand des Sofas, weil sie sonst zu weit nach hinten sinken würde. Milica nimmt auf dem Hocker gegenüber Platz, gießt Kaffee ein. Bitte, trink, sagt sie, aber Vorsicht, dass du nicht den Kaffeesatz erwischst. Könnte ich Milch haben, fragt Maria. Nein, sagt Milica, Kaffee wird ohne Milch getrunken, Zucker ist erlaubt, aber keine Milch. Beim ersten Schluck verbrennt sich Maria die Oberlippe, der Kaffee ist stark, nach dem vierten Schluck spürt sie ihr Herz klopfen. Mein Herz klopft, sagt sie. Milica sieht sie an, lächelt, sie sagt: Das ist doch gut, wenn das Herz klopft, wenn man weiß, dass man noch am Leben ist. Maria nickt und sieht einen Gastgarten an einem Fluss, wo sie mit Martha und Angelika tschechisches Bier getrunken hat, am letzten Betriebsausflug, und noch bevor Maria überlegen kann, weshalb sie hier in der ehemaligen Hausmeisterwohnung einen tschechischen Biergarten sieht, greift Milica über den Tisch. Jetzt musst du vorsichtig trinken, du musst den Kaffee gut austrinken, aber es muss genügend Kaffeesatz in der Tasse bleiben, sonst kann ich die Zukunft nicht lesen. Die Zukunft lesen, fragt Maria. Ja, die Zukunft lesen, sagt Milica, das macht man so, du hast doch keine Angst davor, ich bin eine gute Zukunftsleserin, ich sehe genau, was kommt. Maria nickt und schiebt ihre Tasse in die Mitte des Tisches. Gut, sagt Milica, der Kaffeesatz darf nicht zu trocken sein und nicht zu flüssig. Nimm die Untertasse, stell sie auf die Tasse, dreh die Tasse um.
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