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Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Titel: Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Autoren: Anna Weidenholzer
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überqueren die Kreuzung, und schaltet die Ampel auf Rot, halten sie. Die Menschen in den Autos bewegen ihre Lippen, wenn sie zu zweit, manche auch, wenn sie allein sind. Wer müde ist, hat kleine Augen. Wer gut gelaunt ist, lacht. Maria steht an der Bushaltestelle und hält sich am Henkel ihrer Tasche fest. Sie blickt den anderen Wartenden in die Gesichter und versucht zu erkennen, wie ihr Tag war. Die Tasche hängt über Marias linker Schulter, die Tasche hängt immer links. Ein Rucksack wäre gesünder, denkt Maria an manchen Tagen, wenn der Rücken schmerzt, wenn sie die Schultern nach unten drückt und die Verspannungen spürt. Ein Rucksack wäre gesünder, aber eine Frau trägt keinen Rucksack. Eine Frau trägt immer eine passende Handtasche, eine Frau kann niemals genügend Handtaschen besitzen, sagte Herr Willert, wenn er Kundinnen in die Handtaschenabteilung führte, greifen Sie, wie fein das Leder ist. Der Bus ist verspätet, eine Tafel zeigt die Minuten an, die Familie singt und Maria wartet. Wie lange willst du noch warten, denkt Maria, worauf warten Sie.
    Ein Mann geht an der Bushaltestelle auf und ab, er stützt sich auf Krücken und schleift sein rechtes Bein nach. Seine Kleidung ist abgetragen, er faltet die Hände, er bittet um Geld. Das Bushaltestellenwartehaus ist aus Glas, in der rechten Ecke hängt ein Busfahrplan, auf der Bank davor sitzt niemand. Der Mann kramt in seinen Taschen, er holt einen Tablettenblister hervor, aus dem er eine Tablette drückt, die zu Boden fällt. Die Tablette ist blau, und der Asphalt ist nass. Der Mann bückt sich umständlich, er stützt sich rechts mit den Krücken ab und versucht mit der linken Hand den Boden zu erreichen. Nachdem ihm das gelungen ist, richtet er sich wieder auf, wischt die Tablette mit den Fingern ab. Ein Kind an der Hand einer Frau sieht dem Mann dabei zu. Er sieht das Kind, er dreht sich um und steckt die Tablette in den Mund.
    Ich warte auf den Bus, denkt Maria. Das würde ich sagen, wenn jemand fragen würde. Ich warte auf den Bus, das Leben ist ein ständiges Warten. Nein, das würde ich nicht sagen, nein. Kommt der Bus schon, würde ich fragen, sehen Sie ihn kommen. Ich vertraue der Anzeigetafel nicht, die Minuten vergehen anders, manchmal langsam, manchmal viel zu schnell. Die Busse sind doch niemals pünktlich. Wie denn auch, wie soll ein Bus auf die Minute genau einfahren, es sind doch auch Autos auf der Straße, manchmal mehr, manchmal weniger, und wenn es viele sind, kommt der Bus langsam voran. Gewiss, das ist alles berechnet, gewiss, jemand hat einen Plan aufgestellt, aber ich glaube nicht an Pläne.

43 Das Schöne
    Das Schöne am Verkleiden ist, dass es manchmal niemandem auffällt, denkt Maria, als sie auf der Straße einem schwarzen Hund begegnet, der weiße Flügel trägt.

42 Die Letzte macht das Licht aus
    Es gibt verschiedene Arten von Lichtschaltern. Es gibt einfache, es gibt zweigeteilte, es gibt beige, weiße, braune, schwarze, es gibt solche, die in der Mitte einen Knopf zum Drehen haben, mit dem sich das Licht dimmen lässt. Dimmt man das Licht, wird es dunkler und dunkler, bis es ganz verschwindet. Im Dunkeln verlieren die Gegenstände zunächst ihre Gestalt, bis sie wieder Umrisse annehmen. An manchen Tagen sitzt Maria im Wohnzimmer auf einem Sessel neben dem Lichtschalter und dreht an dem Knopf. Sie lässt es dunkel werden, wartet eine Weile, lässt es wieder hell werden, dann wieder dunkel, langsam, schnell, langsam. Sie achtet dabei darauf, dass die Rollläden geschlossen sind, damit sich die Nachbarn nicht sorgen, damit die Nachbarn nicht auf die Idee kommen, an ihre Tür zu klopfen, nachzusehen, wer mit dem Licht spielt, auch wenn es unwahrscheinlich wäre, dass die Nachbarn vermuten würden, es wäre jemand eingebrochen, wenn sie sehen würden, wie das Licht an- und ausgeht. Allerdings, sie könnten vermuten, ich wäre in Not, denkt Maria, und sie lächelt, wenn sie daran denkt, jemand vom Haus gegenüber würde an ihre Tür klopfen und fragen, ob sie in Not sei. Nein, würde Maria antworten, ich bin nicht in Not, ich spiele nur mit dem Licht. Danke, dass Sie sich sorgen, möchten Sie Kaffee. Ja, bitte, würde die Person vom Haus gegenüber antworten und Maria in die Küche folgen, es ist zwar schon spät, aber ich trinke gern Kaffee mit Ihnen. Setzen Sie sich, würde Maria sagen und einen Kaffeefilter aus der Packung nehmen, umweltfreundlich mit Sauerstoff gebleicht. Maria würde den Filter in die Kaffeemaschine
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