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Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Titel: Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Autoren: Anna Weidenholzer
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Maria steckt das Buch in ihre Handtasche. Das Buch hat ihr Veronika gegeben, sie hat gesagt: Ich brauche es nicht mehr, ich kenne es auswendig, es hilft dir bestimmt. Alles beginnt von vorn, denkt Maria und zieht den Reißverschluss ihrer Handtasche zu. Ich werde übernächste Woche wieder der Beraterin gegenübersitzen, vielleicht wird sie ihre Haare geschnitten haben. Ich könnte ihre neue Frisur bemerken, ich könnte sagen, Sie sehen gut aus, was sie unter Umständen freuen würde. Sie wird in die Tastatur tippen, während ich ihre Fragen beantworte. Wie war es im Söb, wird sie fragen, Söb wird sie sagen und nicht Sozialökonomischer Betrieb, weil sie weiß, dass ich die Abkürzung kenne, dass ich den zweiten Arbeitsmarkt kenne, dass ich sechs Monate am zweiten Arbeitsmarkt gewesen bin und es nicht in den ersten geschafft habe, dass ich wieder hier bin, auf der anderen Seite ihres Schreibtisches, gleich hinter dem Foto, das ich noch nie von vorn gesehen habe. Gut, werde ich sagen, es hat mir sehr gut gefallen, ich bin sehr froh, diese Möglichkeit bekommen zu haben. Ich habe Kleidung verkauft, die andere Menschen weggegeben haben, weil sie ihnen nicht gepasst, vielleicht auch, weil sie ihnen nicht mehr gefallen hat, das haben wir nicht kontrolliert, es spielt auch keine Rolle. Die Kunden waren sehr still, sie stellten wenig Fragen. Einmal wollte ein Mann einen Pelzmantel kaufen, keinen für Männer, einen für Frauen, er hat ihn anprobiert, stellen Sie sich vor, er hat ihn anprobiert und dann nicht gekauft, weil wir ihm nicht sagen konnten, welche Frau ihn zuvor getragen hatte. War es eine schöne Frau, wollte er wissen, warum musste sie sich von diesem Mantel trennen, friert sie jetzt. Er hat den Mantel nicht gekauft, aber ein Paar Handschuhe, von dem Veronika ihm versicherte, sie seien handgestrickt. Es hat mir gut gefallen, ich hatte nette Kolleginnen, wir haben viel gelacht, und Veronika, aber da werde ich nicht weitererzählen, weil die Zeit der Beraterin, weil die Beraterin auch andere Termine, andere Kundinnen hat, und deshalb werde ich schweigen, bis sie sagt: Frau Beerenberger, es freut mich, dass es Ihnen gefallen hat, und jetzt überlegen wir weiter.
    Und wenn die Beraterin wieder verhindert ist, denkt Maria, als sie an der Änderungsschneiderei vorübergeht, was dann. Wenn der Berater mir gegenübersitzt, wenn er fragt, Frau Beerenberger, wie hat es Ihnen gefallen. Wenn er nach meiner Antwort sagt, Frau Beerenberger, wenn er seufzt, eine Pause macht, fragt: Was machen wir mit Ihnen, und hinter dem Bildschirm verschwindet, wenn ich das Tippen höre, das meiner Antwort auf seine Frage, ob sich etwas geändert hat, folgt. Nein, meine Adresse hat sich nicht geändert, ja, der Personenstand ist nach wie vor verwitwet, ja, die Telefonnummer stimmt. Wenn es danach wieder still ist, wenn er sagt: Was machen wir jetzt, Sie waren doch schon bei mir, Sie kennen meinen Ansatz. Ich werde mit den Achseln zucken, ich werde nicht sagen: Überlegen Sie sich doch etwas, das ist nicht mein Beruf, ich würde an Ihrer Stelle nichts Beiges tragen. Dann werde ich nicht mehr hingehen, beschließt Maria, dann gehe ich nicht mehr hin.

44 Wer müde ist, hat kleine Augen
    Wenn die rumänische Familie singt, steht die Tochter vor den Eltern und Musik kommt aus dem Kassettenrekorder, der hinter der Familie an die Hausmauer gelehnt ist, weil die Pflastersteine uneben sind und der Kassettenrekorder nicht umfallen soll, weil die Familie ihr Singen nicht unterbrechen möchte, was sie tun müsste, wenn der Kassettenrekorder umfiele und die Hintergrundmusik dumpf klänge, weil der Kassettenrekorder so umgefallen wäre, dass er mit der Rückseite nach oben am Boden liegt. Die Tochter reicht ihrer Mutter bis zum Bauch, sie trägt eine rote Jacke. Auf einer Schachtel mit Münzen ist ein Karton befestigt, darauf steht:
Bitte
. Die rumänische Familie singt, und Maria wartet auf der anderen Straßenseite auf den Bus. Sie steht aufrecht. Ich komme aus der Arbeit, würde sie sagen, würde sie jemand fragen, was sie hier macht. Wo arbeiten Sie, könnte er oder sie weiter fragen, worauf Maria antworten würde: In einer kleinen Boutique, ich hatte heute meinen ersten Arbeitstag. Maria würde nicht von einem Transitarbeitsplatz, von einem Sozialökonomischen Betrieb sprechen. Sie würde schnell fragen: Was machen Sie hier, wohnen Sie in der Gegend. Die Straße ist feucht vom Regen, die Sonne trocknet den Asphalt. Autos fahren vorbei, sie
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