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Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)

Titel: Der Winter tut den Fischen gut (German Edition)
Autoren: Anna Weidenholzer
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Maria blickt nach jedem Schritt über den Tisch zu Milica, und als Milica zum dritten Mal nickt, stürzt Maria die Tasse.
    Windig ist es heute, sagt Milica, und Maria sagt, das stimmt. Wenn der Wind weht, ziehen die Wolken schnell vorüber. Die Blätter fallen von den Bäumen, und die Vögel fliegen mit hoher Geschwindigkeit. Beobachtest du gern Vögel, fragt Milica. Manchmal, antwortet Maria, manche sind schön anzusehen. Ich mag die Amselmänner, die Amselmänner waren vor ein paar Jahren kaum mehr zu sehen, aber sie kommen langsam wieder zurück. Die Meisen sind mir zu klein und die Rotkehlchen zu schön, Wellensittiche, der Wellensittich ist mir zu auffällig. Weißt du, dass durch diese Wohnung früher Wellensittiche geflogen sind. Der Hausmeister hatte welche, Bubi und Hansi, Bubi flog immer frei, er schlief auf dem Kopf des Hausmeisters, wenn der Hausmeister sich mittags in den Lehnstuhl setzte und ihm die Augen zufielen, so erzählte es Herr Popovic, ich weiß nicht, ob es stimmt. Hansi war sehr schreckhaft. Als Bubi starb, kam der Hausmeister ohne Schachtel vom Tierarzt zurück. Als Hansi starb, sagte der Hausmeister: Jetzt fliegt noch einer mehr im Himmel herum. Hansi starb einen unglücklichen Tod, es ist besser, nicht darüber zu sprechen. Wohnungswellensittiche leben gefährlich, Fenster, Spiegel, Glasscheiben. Der Hausmeister sagte, nach einigen Kollisionen gewöhnt sich der Wellensittich daran, aber es ist nie auszuschließen, dass er sich das Genick bricht. Um einem Genickbruch vorzubeugen, zog der Hausmeister Gardinen vor die Fenster. Toiletten, Wassergläser, Badewannen, man muss darauf achten, dass die Vögel nicht ertrinken. Der Hausmeister sagte: Ich schließe nach jedem Toilettengang die Tür, aber auch dabei muss man aufpassen. Man muss aufpassen, dass der Wellensittich nicht auf der Tür sitzt. Pralle Sonne, trockene Heizungsluft, Zugluft, zu wenig Frischluft, ein Wellensittichkörper ist empfindlich, heiße Herdplatten, heiße Flüssigkeiten, Kerzen, offene Kamine, man muss gut aufpassen. Manche Wellensittiche mögen es, auf dem Fußboden spazieren zu gehen. Sie begeben sich damit in Gefahr, von Menschen übersehen zu werden. Hansi ging gern spazieren.
    So, sagt Milica, die Zeit ist um, nimm deine Tasse, dreh sie um. Milica sagt: Man spricht nicht über den Tod, während man auf den Kaffeesatz wartet. Man spricht über unfähige Männer, über die viele Arbeit in der Küche, darüber, dass man genug davon hat, ständig in der Küche zu stehen. So macht man das, wir haben uns ein wenig falsch verhalten. Entschuldigung, sagt Maria. Ich werde jetzt in deine Zukunft sehen, sagt Milica und schaut in die Tasse. Man muss die Bilder deuten, sagt sie und schweigt dann lange.
    Ich sehe Linien, einen Hund, ich sehe viele andere Figuren. Siehst du, hier sind zwei Linien, sagt Milica und rückt näher an Maria heran, es ist ganz eindeutig, siehst du es. Du hast zwei Wege, dein Partner nur einen. Ich wusste nicht, dass du einen Partner hast, du versteckst ihn gut, sagt Milica mit anderer Stimme. Otto, sagt Maria, er heißt Otto und ist viel unterwegs. Mhm, sagt Milica und spricht weiter. Dein Partner hat nur einen Weg, du hast zwei Wege, zwei Linien, beide werden am Ende gut. Geh es langsam an, es ist nicht gut, alles gleich zu wollen, du wirst bald etwas Neues beginnen, und es wird sehr gut. Aber, sagt Milica und legt ihre Hand auf Marias Oberschenkel, pass auf deinen Partner auf, seine Zukunft ist nicht so gut wie deine. Dein Partner wird kämpfen, kämpfen müssen. Ich hoffe, ich trete dir nicht zu nahe. Es kann sein, dass du einen Mann kennenlernst, in den du dich verliebst. Maria sitzt auf Milicas Couch und versucht sich unauffällig zu verhalten, sie versucht, so zu schauen wie zuvor, sie versucht, so zu sprechen wie zuvor, aber je mehr Maria versucht, so zu sein wie zuvor, umso auffälliger fühlt sie sich. Milica hebt die Tasse hoch, dreht sie, sagt: Es kann aber auch alles anders kommen. Und jetzt, jetzt drücken wir Wünsche. Such dir einen Finger aus, den Zeigefinger für Haus und Familie, den Mittelfinger für Arbeit, den Ringfinger für die Liebe, drück den Finger in den Kaffeesatz und wünsch dir was. Möchtest du noch Baklava. Nur die guten Wünsche gehen in Erfüllung.

50 Das Universum
    Ich werde das Schlechte nicht mehr in mein Leben lassen, beschließt Maria, nachdem sie den Brief erneut gelesen hat.
Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen
, Maria faltet den Brief so lange, bis er sich
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