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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter
Autoren: Dean R. Koontz
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den Asphalt, dass die schäumende, mit tanzendem Gischt bedeckte Straße zu kochen schien.
    Als die Fahrertür aufging, wurde Kamera 01 darauf gezoomt, um eine Nahaufnahme des großen, kräftig gebauten Mannes zu bekommen, der aus dem Wagen stieg. Er trug einen schwarzen Anorak. Das Gesicht blieb im Schatten der Kapuze verborgen.
    Falls Rolf Reynerd seinen Wagen nicht an einen Freund verliehen hatte, war dies der ruhmreiche Wolf höchstpersönlich. Jedenfalls passte sein Körperbau zu den Angaben auf Reynerds Führerschein.
    Reynerd schloss die Fahrertür, öffnete die Hintertür und holte eine große, weiße Kugel vom Rücksitz, offenbar die Plastiktüte mit dem geheimnisvollen Präsent, dem zusammengenähten Apfel.
    Nachdem Reynerd die Hintertür zugeschlagen hatte, ging er an der Kühlerhaube vorbei aufs Tor zu, das im Hintergrund der Kameraaufnahme bereits zu sehen war. Plötzlich blieb er stehen, drehte sich um und spähte die dunkle, vom Regen gepeitschte Straße entlang, bereit zur Flucht.
    Vielleicht glaubte er, über das Rauschen des Regens in den Baumwipfeln hinweg ein Auto gehört zu haben, das sich näherte. Das Mikrofon der Überwachungskamera hatte allerdings nichts dergleichen aufgezeichnet.
    Wäre zu dieser einsamen Stunde tatsächlich ein anderes Fahrzeug vorbeigekommen, so hätte es sich wahrscheinlich um einen Streifenwagen der Bel Air Patrol gehandelt, des privaten Wachdienstes, der die Polizei beim Schutz der äußerst vermögenden Gemeinde unterstützte.
    Als weder ein Streifenwagen noch ein weniger offizielles Fahrzeug auftauchte, beruhigte der Kapuzenmann sich wieder und eilte ostwärts aufs Tor zu.
    Sobald er die Reichweite von Kamera 01 verlassen hatte, wurde er von Kamera 02 aufs Korn genommen. Als er sich dem Tor näherte, beobachtete ihn die auf der anderen Straßenseite montierte Kamera 03, die ihn zwecks genauerer Betrachtung näher heranholte.
    Kaum hatte Reynerd das Tor erreicht, als er auch schon ausholte, um den weißen Beutel über das bronzene Gitterwerk zu schleudern. Sein Geschoss prallte an den obersten Schnörkeln ab und fiel zu ihm zurück.
    Beim zweiten Versuch war er erfolgreich. Als er sich vom Tor abwandte, rutschte ihm die Kapuze halb vom Kopf, sodass Kamera 03 eine scharfe Aufnahme seines Gesichts gelang, das von den Lampen an den Torpfosten beleuchtet wurde.
    Er hatte die fein gemeißelten Gesichtszüge, die man brauchte, um Kellner in den schicksten Restaurants von Los Angeles zu werden, wo Personal wie Kunden sich der Illusion hingaben, jedes männliche oder weibliche Wesen, das am Dienstagabend Teller mit überteuertem Schwertfisch von der Küche zum Speisesaal transportierte, könnte am Mittwoch eine Nebenrolle im nächsten hundertfünfzig Millionen Dollar teuren Tom-Cruise-Film angeboten bekommen.
    Nachdem er den Apfel abgeliefert hatte, grinste Rolf Reynerd.
    Hätte Ethan nichts über den Vornamen des Mannes auf dem Bildschirm gewusst, wäre ihm das Grinsen wohl nicht wölfisch vorgekommen. Es hätte ihn eher an ein Krokodil oder auch eine Hyäne erinnert.
    Keinesfalls war dies jedoch die fröhliche Miene eines Witzbolds. Die nach oben gezogenen Lippen und die gebleckten Zähne waren der Ausdruck einer irren Schadenfreude, die nicht nur bei Vollmond einer medikamentösen Behandlung bedurft hätte.
    Auf dem Rückweg zu seinem Wagen platschte Reynerd durch schwarze Pfützen, die im Scheinwerferlicht silbern glänzten.
    Als der Honda vom Bankett auf die Straße fuhr und anschließend das Tor passierte, verfolgte ihn erst Kamera 01 und dann Kamera 02. Im Zoom war das hintere Nummernschild ausgezeichnet lesbar.
    Der Wagen verschwand in der Nacht. Über dem Asphalt schwebten kurz noch die gespenstischen Schwaden, die sein Auspuff heraufbeschworen hatte.
    Dann lag die enge Straße verlassen da. Nur die Lampen am Tor glommen in der nassen Dunkelheit. Schwarzer Regen strömte vom Nachthimmel, als wollte der sich auflösen und das von aller Welt neidvoll bewunderte Anwesen von Channing Manheim mit der Finsternis des Weltalls überschwemmen.
    Bevor er seine Wohnung im Westflügel verließ, meldete Ethan sich telefonisch bei Mrs. McBee, der Haushälterin, um ihr mitzuteilen, er werde erst abends wiederkommen.
    Mrs. McBee war tüchtiger als jede Maschine, verlässlicher als die physikalischen Gesetze und so vertrauenswürdig wie ein Erzengel. Innerhalb weniger Minuten würde sie eines der sechs ihr unterstellten Dienstmädchen zu Ethans Wohnung beordern. Der Abfall wurde
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