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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter
Autoren: Dean R. Koontz
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sehen waren.
    »Ist das die richtige Sprache für einen klugen, gewitzten Zeitgenossen?«, fragte Ethan.
    »Mensch, die Leute, die mein Vater vom Film her kennt, sagen viel schlimmeres Zeug als scheißvoll . Mein Alter übrigens auch.«
    »Nicht, wenn er weiß, dass du es hören kannst.«
    Fric legte den Kopf schräg. »Bezeichnen Sie meinen Dad etwa als Heuchler?«
    »Ich würde mir lieber die Zunge rausreißen, als so was über deinen Dad zu sagen.«
    »Und der böse Magier in meinem Buch würde sie für seinen Zaubertrank verwenden. Eines seiner größten Probleme ist es nämlich immer, die Zunge eines ehrlichen Menschen aufzutreiben.«
    »Wie kommst du denn darauf, dass ich ehrlich bin?«
    »Aber echt! Sie sind so scheißvoll von Ehrlichkeit, dass es zum Himmel stinkt.«
    »Was machst du eigentlich, wenn Mrs. McBee solche Ausdrücke von dir hört?«
    »Die ist woanders.«
    »Ach, tatsächlich?« Mit seinem Ton deutete Ethan an, dass er etwas über Mrs. McBees derzeitigen Aufenthaltsort wusste, was dem Jungen gar nicht lieb sein konnte.
    Mit schuldbewusster Miene setzte Fric sich auf und blickte um sich.
    Für sein Alter war der dünne Junge eher zu klein geraten. Sah man ihn aus der Ferne durch einen der weiten Flure gehen oder durch einen Raum, in den ein Monarch samt Hofstaat gepasst hätte, kam er einem richtig schmächtig vor.
    »Ich glaube, sie benutzt Geheimgänge«, flüsterte Fric. »Sie wissen schon, Gänge in den Wänden.«
    »Mrs. McBee?«
    Der Junge nickte. »Wir wohnen erst sechs Jahre hier, aber sie ist schon ewig da.«
    Mrs. McBee und Mr. McBee, beide Mitte fünfzig, hatten schon für den vorherigen Besitzer des Anwesens gearbeitet und waren auf Manheims Bitte hin geblieben.
    »Also, ich kann mir kaum vorstellen, dass Mrs. McBee in den Wänden umherschleicht«, sagte Ethan. »Sie kommt mir nicht besonders heimtückisch vor.«
    »Wenn sie heimtückisch wäre «, sagte Fric hoffnungsvoll, »wäre es hier jedenfalls viel interessanter.«
    Im Gegensatz zu den goldenen Locken seines Vaters, die sich bei jedem Kopfschütteln perfekt in Form legten, war Frics braunes Wuschelhaar ständig in Unordnung. Es widersetzte sich jeder Bürste und ließ die besten Kämme splittern.
    Schon möglich, dass Frics Aussehen sich so entwickeln würde, wie es seinem Stammbaum entsprach, aber vorläufig sah er aus wie ein durchschnittlicher zehnjähriger Junge.
    »Wieso hast du jetzt keinen Unterricht?«, erkundigte sich Ethan.
    »Sind Sie etwa einer von diesen Atheisten, die keine Ahnung haben, dass bald Weihnachten ist? Da haben selbst Hollywoodkids mit Privatlehrern mal Ferien.«
    Fünf Tage in der Woche kam eine ganze Riege Hauslehrer angefahren. Die Privatschule, die Fric eine Zeit lang besucht hatte, war nicht die passende Umgebung für ihn gewesen.
    Mit dem berühmten Channing Manheim als Vater und mit der berühmten und berüchtigten Freddie Nielander als Mutter wurde Fric selbst unter den Kindern anderer Berühmtheiten zur Zielscheibe von Neid und Spott. Besonders die grausameren unter seinen Altersgenossen machten sich gern darüber lustig, dass ein athletischer, für seine Heldenrollen bekannter Star einen so schmächtigen Sohn hatte. Frics schweres Asthma war ein weiteres Argument, ihn zu Hause zu unterrichten, wo man die Umwelteinflüsse unter Kontrolle hatte.
    »Hast du irgendeine Ahnung, was du zu Weihnachten bekommst?«, fragte Ethan.
    »Klar. Schließlich hab ich schon am fünften Dezember bei Mrs. McBee meinen Wunschzettel einreichen müssen. Ich hab ihr gesagt, sie braucht das Zeug nicht einpacken, aber sie wird es trotzdem tun. Das macht sie immer so. Sie meint, ganz ohne Geheimnisse ist es kein richtiges Weihnachten.«
    »Der Meinung muss ich mich anschließen.«
    Der Junge zuckte die Achseln und versank wieder in seinem Sessel. Momentan war Manheim zwar in Florida, wo die Außenaufnahmen für seinen nächsten Film gedreht wurden, aber am Tag vor Weihnachten wollte er nach Hause kommen.
    »Wird schön sein, wenn dein Dad über die Feiertage zu Hause ist. Habt ihr schon irgendwas Besonderes vor?«
    Wieder zuckte der Junge mit den Achseln, doch bei dem durchsichtigen Versuch, Unwissen oder Gleichgültigkeit vorzutäuschen, kam ungewollt ein Elend zum Vorschein, bei dessen Anblick Ethan sich ungewohnt hilflos fühlte.
    Fric hatte die leuchtend grünen Augen seiner Mutter geerbt. In ihrer eigentümlichen Tiefe stand genug über die Einsamkeit des Jungen zu lesen, um ein oder zwei der hiesigen
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