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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter
Autoren: Dean R. Koontz
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vor dem Öffnen eine Aufnahme von der schwarzen Schachtel gemacht. Auch den Red Delicious hatte er fotografiert, aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln.
    Offenbar hatte man den Apfel aufgeschnitten, um in der Mitte irgendein Objekt unterzubringen. Irgendetwas in Ethan sträubte sich jedoch dagegen, die Fäden einfach aufzuschneiden, um einen Blick auf den möglichen Inhalt zu werfen.
    Sein jahrelanger Dienst in der Mordkommission hatte ihn in mancher Hinsicht abgehärtet. Der Anblick extremer Gewalttätigkeit, dem er dabei allzu oft ausgesetzt gewesen war, hatte ihn allerdings auch empfindlich gemacht.
    Er war erst siebenunddreißig, doch seine Laufbahn bei der Polizei war schon beendet. Trotzdem waren seine Instinkte scharf geblieben, und er neigte weiterhin zu düsteren Erwartungen.
    Eine Windbö rüttelte an den Fenstern; leise klopften Regentropfen an die Scheiben.
    Ethan nahm das träge Unwetter zum Vorwand, den Apfel vorerst liegen zu lassen und langsam zum nächsten Fenster zu treten.
    Rahmen, Pfosten, Sprossen – bis auf die Scheiben war alles an den Fenstern der weiträumigen Villa aus Bronze gefertigt. Die Wind und Wetter ausgesetzten Oberflächen hatten sich mit einer hübschen, grünfleckigen Patina überzogen. Im Innern behielt die Bronze dank sorgfältiger Pflege ihre dunkle, rotbraune Farbe.
    Jede einzelne Fensterscheibe war mit geschliffenen Kanten ausgestattet. Selbst in den Räumen, die schon immer zum Reich der Dienstboten gezählt hatten wie die Spül- und die Waschküche, hatte der Architekt facettierte Fenster vorgesehen.
    Obwohl diese einstige Residenz eines Filmmagnaten in den letzten Jahren der Weltwirtschaftskrise entstanden war, gab es von der Eingangshalle bis zum hintersten Winkel des letzten Flurs nicht den mindesten Hinweis, dass diesem Umstand irgendwelche Einschränkungen des Baubudgets geschuldet worden waren.
    Selbst wenn Stahlträger durchhingen, Motten an der Auslage von Modegeschäften nagten und Neuwagen im Ausstellungsraum rosteten, weil die Kunden ausblieben, florierte die Filmindustrie. In schlechten wie in guten Zeiten war offenbar zweierlei absolut unentbehrlich: Nahrung und Illusionen.
    Der Blick durch die hohen Fenster des Arbeitszimmers sah aus wie die gemalte Kulisse eines Kinofilms, wie eine jener kunstvollen zweidimensionalen Szenen, die durch das täuschende Auge der Kamera überzeugend die Landschaft eines fernen Planeten darstellen konnten oder einen so vollkommenen Ort auf dieser Erde, wie ihn die Wirklichkeit nie zugelassen hätte.
    Grüner als die Wiesen des Gartens Eden erstreckte sich vor dem Haus eine weite Rasenfläche, in der kein Unkraut und kein dürres Hälmchen störte. Die majestätischen Wipfel gewaltiger Steineichen und die melancholisch herabhängenden Äste von Himalajazedern, alle makellos gewachsen, schimmerten silbern im leichten Dezemberregen.
    Durch Wasserfäden, fein wie Engelshaar, sah Ethan in der Ferne die letzte Biegung der Einfahrt. Vom Regen spiegelblank poliert, führten die graugrünen Pflastersteine aus Quarzit zu dem reich verzierten Bronzetor in der Mauer des Anwesens.
    In der vergangenen Nacht hatte der unerwünschte Besucher sich dem Tor zu Fuß genähert. Da er wahrscheinlich vermutet hatte, dass die Barriere mit Sensoren ausgerüstet war, die beim Erklimmen Alarm gegeben hätten, hatte er das Päckchen über die geschwungene Oberkante des Tors hinweg auf die Einfahrt geschleudert.
    Die Schachtel mit dem Apfel war mit Luftpolsterfolie umwickelt und in eine weiße Plastiktüte gesteckt worden, um sie vor schlechtem Wetter zu schützen. An die Tüte hatte man eine rote Geschenkschleife geheftet, um zu verhindern, dass der Inhalt für Abfall gehalten wurde.
    David Ladman, einer der beiden Wachleute der Nachtschicht, hatte die Sendung um 3.56 Uhr entdeckt. Vorsichtig hatte er die Tüte aufgehoben und sie in sein Dienstzimmer im Gärtnerhaus hinter der Villa getragen.
    Anschließend hatten Dave und sein Kollege Tom Mack das Päckchen mit einem Fluoroskop durchleuchtet, um festzustellen, ob Drähte oder andere metallische Bestandteile auf einen Sprengkörper oder eine mittels Feder auszulösende Höllenmaschine hinwiesen.
    Heutzutage konnte man Bomben allerdings auch völlig ohne Metall herstellen. Nach der Durchleuchtung hatten Dave und Tom deshalb einen Geruchsanalysator eingesetzt, der in der Lage war, zweiunddreißig verschiedene Sprengstoffbestandteile aufzuspüren, selbst wenn davon lediglich drei Moleküle in einem
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