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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter
Autoren: Dean R. Koontz
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Kubikzentimeter Luft enthalten waren.
    Als sich gezeigt hatte, dass das Päckchen harmlos war, hatten die Wachleute es ausgewickelt und die schwarze Schachtel entdeckt. Daraufhin hatten sie diese beiseite gelegt und auf Ethans Anrufbeantworter eine Nachricht hinterlassen.
    Um 8.35 Uhr hatte Benny Nguyen, einer der zwei Wachleute der Frühschicht, die Schachtel zu Ethans Wohnung im Haupthaus gebracht. Beigefügt war eine Videokassette mit den Aufnahmen der Überwachungskameras, die die Lieferung aufgezeichnet hatten.
    Mitgebracht hatte Benny ferner eine Portion Com Tay Cam, ein vietnamesisches Gericht aus Huhn und Reis, nach dem Ethan sich die Finger leckte. Bennys Mutter hatte es im traditionellen Tontopf zubereitet.
    »Meine Mutter hat sich wieder mal als Wahrsagerin betätigt«, sagte Benny. »Sie hat eine Kerze für Sie angezündet, die Tropfen begutachtet und gesagt, Sie müssten sich unbedingt stärken.«
    »Weshalb? Morgens aufzustehen ist das Anstrengendste, was ich in letzter Zeit unternehme.«
    »Sie hat nicht gesagt, weshalb, aber offenbar ist es nicht bloß um die anstehenden Weihnachtseinkäufe gegangen. Als sie von Ihnen gesprochen hat, hat sie geschaut wie ein Tempeldrache.«
    »Meinen Sie etwa den Blick, bei dem selbst Pitbulls winselnd den Bauch entblößen?«
    »Genau den. Sie sagt, Sie müssen gut essen, morgens und abends Ihre Gebete sprechen und den Genuss von starkem Alkohol meiden.«
    »Das ist nicht so einfach. Der Genuss von starkem Alkohol ist nämlich meine Form des Gebets.«
    »Ich werde meiner Mutter einfach sagen, Sie hätten Ihren Whiskey in den Abfluss geschüttet, und als ich gegangen bin, hätten Sie auf den Knien gelegen, um Gott für die Erschaffung von Hühnern zu danken, damit sie Com Tay Cam zubereiten kann.«
    »Ihre Mutter würde wohl nie ein Nein als Antwort gelten lassen«, sagte Ethan.
    Benny lächelte. »Sie akzeptiert auch kein Ja als Antwort. Eigentlich erwartet sie gar keine Antwort, sondern nur pflichtschuldigen Gehorsam.«
    Nun, eine Stunde später, stand Ethan am Fenster und blickte hinaus in den dünnen Regen, der die Hügel von Bel Air wie ein Vorhang aus winzigen Perlen schmückte.
    Wenn er das Wetter beobachtete, konnte er klarer denken.
    Manchmal kam ihm nur die Natur wirklich vor, alles, was der Mensch geschaffen hatte, hingegen wie eine Kulisse. Von dieser umgeben, folgten die Menschen dem Drehbuch ihrer Träume.
    Von Ethans Zeit als Streifenbeamter bis zum Ende seiner Karriere bei der Kripo hatten seine Kollegen immer gemeint, er würde zu viel denken. Manche von ihnen waren jetzt tot.
    Der Apfel war in der sechsten schwarzen Schachtel gewesen, die Ethan innerhalb von zehn Tagen bekommen hatte. Schon der Inhalt der ersten fünf hatte ihn beunruhigt.
    Im Allgemeinen war Ethan, der allerhand Kurse in Kriminalpsychologie besucht und genügend Dienstjahre auf dem Buckel hatte, nur schwer zu beeindrucken, was den menschlichen Hang zur Bosheit betraf. Trotzdem empfand er diese Sendungen als äußerst besorgniserregend.
    Beeinflusst vom bombastischen Auftreten moderner Kinobösewichte, fühlten sich ganz gewöhnliche Gangster und angehende Serienkiller in letzter Zeit offenbar als Stars ihres eigenen Thrillers und schafften es deshalb nicht mehr, einfach ihre schmutzige Arbeit zu tun und dann ihrer Wege zu ziehen. Die meisten schienen inzwischen geradezu davon besessen zu sein, sich eine Charakterrolle auf den Leib zu schneidern. Und deshalb hinterließen sie am Ort ihrer Verbrechen auch extravagante Signaturen und dachten sich raffinierte Methoden aus, mit denen sie ihre Opfer entweder vor oder nach dem Mord quälten, um die angebliche Kompetenz der Strafverfolgungsbehörden zu verhöhnen.
    Da die Quellen ihrer Inspiration jedoch allesamt hochgradig abgedroschen waren, gelang es ihnen lediglich, furchtbare Grausamkeiten so langweilig erscheinen zu lassen wie die Possen eines witzlosen Clowns.
    Dem Absender der schwarzen Schachteln glückte, woran andere scheiterten. Seine wortlosen Drohungen waren zumindest einfallsreich.
    Wenn endlich ans Tageslicht kam, was er mit seinen Drohungen beabsichtigte, würde sein Handeln wahrscheinlich ziemlich clever sein, vielleicht sogar teuflisch clever.
    Außerdem hatte er sich keinen albernen oder plumpen Namen zugelegt, um die Regenbogenpresse zu beglücken, sollte sie irgendwann Wind von seinem Spiel bekommen. Dass er auf eine Signatur verzichtete, war ein Anzeichen für Selbstbewusstsein. Offenbar lag es ihm fern, um jeden
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