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Der Wächter

Der Wächter

Titel: Der Wächter
Autoren: Dean R. Koontz
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Preis berühmt werden zu wollen.
    Seine Zielscheibe war der bekannteste Filmstar der Welt und damit der vielleicht am besten bewachte Mann des Landes, den Präsidenten der Vereinigten Staaten einmal ausgenommen. Doch statt heimlich zuzuschlagen, kündigte er seine Absichten mit wortlosen, bedrohlichen Rätseln an und machte es sich damit noch schwerer, an sein Opfer heranzukommen.
    Nachdem Ethan ausgiebig über den Apfel und sämtliche Einzelheiten von dessen Verpackung und Aussehen nachgegrübelt hatte, holte er eine Hautschere aus dem Badezimmer. Nun wandte er sich auch wieder dem Schreibtisch zu.
    Er zog den Stuhl hervor, ließ sich nieder, schob den leeren Geschenkkarton beiseite und legte den vernähten Apfel in die Mitte der Schreibunterlage.
    Die ersten fünf schwarzen Schachteln, alle unterschiedlich groß, waren samt ihrem Inhalt auf Fingerabdrücke untersucht worden. Drei der Sendungen hatte Ethan eigenhändig eingepinselt – ohne Erfolg.
    Weil die Schachteln ohne jede Erklärung eingetroffen waren, betrachteten die Behörden sie nicht als Todesdrohung. Solange die Absicht des Absenders noch zur Debatte stand, handelte es sich hierbei nicht um eine Sache für die Polizei.
    Die Sendungen Nummer vier und fünf hatte Ethan einem alten Freund im Labor des Polizeipräsidiums von Los Angeles zukommen lassen, der sie inoffiziell begutachtet hatte. Beispielsweise hatte er sie in einem Glaskasten einer Wolke von Polyethylacrylatdämpfen ausgesetzt. Solche Dämpfe schlugen sich auf dem Öl von Fingerabdrücken in Form von Kunstharz nieder.
    Unter fluoreszierendem Licht waren jedoch keinerlei Spuren eines Rillenmusters sichtbar geworden. Daran hatte sich auch nichts geändert, als man das Labor abgedunkelt hatte, um die Schachteln und ihren Inhalt mit einer im spitzen Winkel gehaltenen Halogenlampe zu beleuchten.
    Schwarzes magnetisches Pulver, mit einer Magna-Brush aufgetragen, hatte ebenfalls nichts zum Vorschein gebracht. Selbst als man die Objekte in eine Methanollösung mit Rhodamin G6 getaucht und im dunklen Labor mit dem gespenstischen Strahl eines wassergekühlten Argonionenlasers bestrichen hatte, hatten sich keine verräterisch leuchtenden Wirbel gezeigt.
    Der namenlose Verfolger war zu vorsichtig gewesen, um derartige Indizien zu hinterlassen.
    Trotzdem behandelte Ethan die sechste Sendung mit derselben Sorgfalt wie die fünf bisherigen. Obwohl es mit Sicherheit keine Fingerabdrücke gab, wollte er das später vielleicht doch noch überprüfen.
    Mit der Hautschere schnitt er sieben der Knoten durch. Die restlichen drei ließ er unversehrt, damit sie als Angeln dienen konnten.
    Offenbar hatte der Absender den Apfel mit Zitronensaft oder einem anderen in der Küche gebräuchlichen Antioxidationsmittel behandelt, um für ein ansprechendes Aussehen zu sorgen. Das Fruchtfleisch war jedenfalls makellos weiß, nur in der Nähe der Schale zeigte es minimale Bräunung.
    Das Gehäuse war großteils erhalten; lediglich die Mitte mit den Kernen war entfernt worden, um Platz für den implantierten Gegenstand zu schaffen.
    Eigentlich hatte Ethan etwas Wurmartiges erwartet: einen Regen-, Baumwollkapsel-, Platt- oder Saugwurm, einen Blutegel, eine Raupe oder dergleichen. Stattdessen erblickte er im Fruchtfleisch ein Auge.
    Angewidert glaubte er einen Moment lang, ein echtes Auge vor sich zu haben. Dann sah er, dass es sich nur um eine Kunststoffkugel handelte, allerdings eine mit überzeugenden Details.
    Eigentlich war es keine Kugel, sondern eine Halbkugel.
    Die Rückseite des Auges war flach und mit einem Ringlein versehen.
    Irgendwo musste da also eine halb geblendete Puppe lächeln.
    Und wenn der durchgeknallte Absender diese Puppe betrachtete, stellte er sich möglicherweise vor, dass das berühmte Objekt seiner Besessenheit ebenso verstümmelt war.
    Diese Entdeckung verstörte Ethan fast so sehr, als hätte er ein echtes Auge im Apfel vorgefunden.
    Dort, wo zuvor das Ding gewesen war, lag im ausgehöhlten Kerngehäuse ein eng zusammengefalteter Zettel, der vom aufgesogenen Saft ganz feucht war. Als Ethan ihn auseinander faltete, bekam er die erste konkrete Nachricht zu Gesicht, seit die sechs Päckchen eingetrudelt waren. Sie war mit der Maschine geschrieben worden:
    DAS AUGE IM APFEL? DER WACHSAME WURM? DER WURM DER ERBSÜNDE? HABEN WORTE EINEN ANDEREN ZWECK, ALS VERWIRRUNG ZU STIFTEN?
    Verwirrt war Ethan tatsächlich. Was immer diese Drohung – das Auge im Apfel – bedeutete, sie kam ihm besonders bösartig vor.
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