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Der indiskrete Roboter

Der indiskrete Roboter

Titel: Der indiskrete Roboter
Autoren: Gerhard Branstner
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Die entlaufene Maschine
     
    Die Station lag knapp zweihundert Meter vom Ufer des Sees entfernt; gegenwärtig schien sie in der Mittagshitze vor sich hinzudösen. Doch der Schein trog. Im Wohnhaus der Lotsen sauste Gustav, der heute seinen Siebzigsten feierte, wie ein Weberschiffchen hin und her, um die Geburtstagstafel zu richten. Da er in dergleichen Arbeiten nicht sonderlich geschickt war, geriet er zunehmend in Zeitnot. Zur gleichen Zeit verfluchte Fredy, der Junglotse, sein eigenes Ungeschick. Er baute dem Altlotsen einen Anglersitz zum Geburtstag, und den Steg hatte er auch schon fertig; nur der von Oskar, dem Homoroboter, vorgefertigte Sitz paßte irgendwie nicht recht; und da er dem Roboter nicht die Schuld geben konnte, belegte Fredy sich selber nach und nach mit den Namen ungefähr aller bekannten Paarhufer. Boris hingegen, der zur Zeit als einziger in der Station den Dienst versah, fluchte auf die ORB, denn eben jetzt hatte sie die Station SARA angewiesen, den ersten kosmischen Leuchtturm, der Punkt 16 Uhr in Betrieb genommen werden sollte, nicht nur routinemäßig zu orten, sondern überdies auch noch abzusichern. Und schon prasselten die optischen und akustischen Angaben von den im erdnahen Raum umherkreuzenden Flugkörpern über ihn herein. Dabei hielt Boris die Inbetriebnahme des kosmischen Leuchtturms für einen ausgemachten Blödsinn.
    Allein Sara war zur Zeit unbeschäftigt. Sie hatte sich einen Liegestuhl in den Grünanlagen, die sich zwischen Wohnhaus und Station erstreckten, aufgestellt und blinzelte in die Sonne. Und erst als Boris aus der Station und Gustav aus dem Wohnhaus nach Fredy riefen, kam auch sie in Bewegung, sprang auf und rief ebenfalls nach Fredy. Und als auch sie keine Antwort erhielt, wollte sie erst einmal erfahren, weshalb man nach dem Junglotsen rief und lief als erstes zur Station.
    »Dieser blödsinnige Leuchtturm!« schimpfte Boris herzerfrischend, »schlimm genug, daß es so was überhaupt gibt, und jetzt sollen wir ihn auch noch absichern.«
    »Aber das schaffst du doch allein, weshalb rufst du da nach Fredy?«
    »Damit er zuguckt und was lernt!«
    Sara versprach, Fredy zu suchen, und lief ins Wohnhaus, wo Gustav mit umgebundener Küchenschürze ein raketenähnliches Gebilde von der Anrichte hievte.
    »Was ist denn das?« fragte Sara verwundert.
    »Eine Eisbombe.«
    »Um Himmels willen, die schaffen wir doch nie! Und weshalb rufst du nach Fredy?«
    »Damit er zuguckt und was lernt!«

    Sara meinte, daß Fredy noch einige Jahrzehnte Zeit habe, um seinen siebzigsten Geburtstag zu üben.
    »Nur glaube ich nicht«, entgegnete Gustav, »daß ich dann noch lebe, um ihn in die Lehre zu nehmen.«
    Also versprach Sara abermals, Fredy zu suchen.
     
    Der Junglotse hatte indessen den Angler sitz trotz allen Ungeschicks paßgerecht gemacht und auf dem Steg befestigt und fragte jetzt den Roboter, ob er auch zugeguckt und was gelernt habe, setzte sich selber probeweise auf den Sitz und sprang sogleich wieder auf.
    »Au!«
    »Da steht ein Nagel über«, konstatierte der Roboter mit ernster Miene, holte einen Hammer aus der im Ufersand stehenden Werkzeugkiste und reichte ihn Fredy.
    »Danke.« Fredy hielt plötzlich inne. »Sag mal, seit wann tust du etwas ohne Auftrag? Ich hatte den Hammer doch nicht von dir verlangt.«
    »Ich hatte den Trieb.«
    »Den Trieb? Das ist ja ganz was Neues.« Fredy holte mit dem Hammer aus, um den vorwitzigen Nagel zurückzuschlagen. »Einen Trieb hast du also.« Fredy hielt abermals inne. »Herrgott, das hätte ich fast vergessen! Wir müssen ja den kosmischen Leuchtturm orten, und die Unterlagen befinden sich noch beim Energieposten.«
    »Die in der roten Mappe?« fragte Oskar.
    Fredy bejahte. »Aber erst streiche ich noch den Steg an, schön grün.«

    Fredy holte wieder mit dem Hammer aus, schlug diesmal auch zu, traf aber den Daumen.
    »Au!«
    »Es blutet!« stellte der Roboter fest.
    »Das sehe ich selber!« Fredy steckte den Daumen in den Mund und lutschte heftig. »Hilf mir lieber!«
    »Beim Lutschen?«
    »Ihr Roboter seid ein dämliches Volk!« rief Fredy aufgebracht. »Hau bloß ab, Mensch, los, hau ab!«
    »Und wohin?« fragte Oskar sachlich.
    »Zum Teufel!«
    Der Roboter dachte einen Augenblick nach, dann trollte er sich.
     
    Da Sara den Junglotsen nicht gefunden hatte, ging sie in die Station, um Boris Gesellschaft zu leisten. »Entweder hat Fredy sein Sprechgerät abgestellt, oder er hat es gar nicht bei sich«, sagte Sara. »Und Oskar ist auch
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