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Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung

Titel: Der Bund des Raben 01 - Dieb der Dämmerung
Autoren: James Barclay
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Prolog
    Eine Hand wurde auf ihren Mund gedrückt und erstickte ihre Schreie, als sie erwachte. Neben ihr schlief Alun, ahnungslos und still. Ein Gesicht, voller Schatten in der dunklen Nacht, beugte sich über sie. Sie konnte die hageren Gesichtszüge und die harten Augen erkennen. Die Hand wurde fester auf ihren Mund gepresst, und der Mann starrte sie an.
    »Wenn du einen Spruch wirkst, werden deine Jungen sterben. Wenn du dich wehrst, werden deine Jungen sterben. Wenn du dich nicht fügst, werden deine Jungen sterben. Dein Ehemann wird hierbleiben und bezeugen können, dass wir fähig sind, solche wie dich überall zu holen, selbst hier im Herzen der Kolleg-Stadt. Denke darüber nach, während du schläfst, und zügle deinen Zorn, wenn du wach bist. Wir haben viel zu besprechen.«
    Gedanken rasten durch ihren Kopf, ihr Herz schlug wie wild. Ihr dummer Entschluss, außerhalb der sicheren Kolleg-Mauern ein beschauliches Leben zu führen, hatte alles in Gefahr gebracht, was sie liebte. Der Angreifer hatte ihre Jungen erwähnt, die wundervollen Zwillinge, in die sie so
große Hoffnungen setzte und in denen so große Kräfte geweckt werden konnten. So jung, so unschuldig waren die beiden. Alles in ihr begehrte auf, als ihr bewusstwurde, was Männer wie dieser hier zu tun imstande waren. Diese Leute kannten kein Erbarmen, sie sahen nur das, was sie für böse hielten, und sie hatten geschworen, es zu vernichten. Sie sahen nicht die Reinheit und die Magie der Dinge, die sie erschuf, und diese Blindheit machte jene Männer so gefährlich.
    Sie erinnerte sich an die warnenden Stimmen. Die Meister des Kollegs hatten zwar Verständnis für ihr Verlangen nach einem Familienleben gezeigt, doch sie hatten auch gewarnt, dass ein Übermaß an Beschaulichkeit und Behagen in einer Zeit, da die Menschen ihre Feindschaft gegen das Kolleg und alles, was es darstellte, offen zeigten, nicht ungefährlich war. Ihr Leben war ein Experiment, daran hatten die Meister sie immer wieder erinnert. Es ging um mehr als nur um ihre Sehnsucht, sich mit ihrer Familie niederzulassen. Ihre Kinder waren die Kinder der Schule, hatten die Meister gesagt, und ihre Entwicklung war ein Gegenstand kritischer Forschung.
    Natürlich hatte sie wie üblich bekommen, was sie wollte. Schließlich waren es ihre Söhne, und Alun verspürte ohnehin nicht den Wunsch, in der Schule zu leben. Sie verfluchte sich für ihren dummen Eigensinn und für ihr übertriebenes Vertrauen in ihre Fähigkeit, ihrer aller Sicherheit zu gewährleisten. Frustrierte und zornige Tränen wollten in ihr aufsteigen, doch wie die Stimmen der Meister in ihrem Kopf waren auch die Tränen Erinnerungen an Warnungen, die sie schon viel zu lange ignoriert und auf die sie viel zu spät gehört hatte.
    Die zweite Hand des Mannes kam in ihr Gesichtsfeld. Sie hielt ein Tuch, das er nun auf ihre Nase und den Mund
presste. Die Droge wirkte rasch, und sie wehrte sich wie ein Tier, das in einer Falle gefangen ist, während die Jagdhunde sich bereits nähern. Verzweifelt, kurz und vergeblich war ihre Gegenwehr. Brophane. Ihr letzter Gedanke war, dass sie sich elend fühlen würde, wenn sie die Augen wieder öffnete.

1
    Blaues Licht stach durch den Spätnachmittagshimmel, flackerte vor den zerklüfteten niedrigen grauen Wolken und zeichnete den Zugang zum Taranspike-Pass als scharfes Relief. Eine schwere Explosion war zu hören, Männer schrien.
    Hoch oben im Burgfried schätzte der Rabe die Situation gelassen ein und blickte von der Burg, die den Pass bewachte, über den Burghof hinweg zum Schlachtfeld.
    Die linke Flanke der Verteidigungslinien war eingebrochen. Verkohlte Leichen lagen gekrümmt im versengten Gras, und an der ganzen Front verdoppelten die Feinde nun ihre Anstrengungen. Sie überrannten die Verteidiger.
    »Verdammt auch«, sagte der Unbekannte Krieger. »Das gibt Ärger.« Er hob die Faust über den Kopf, spreizte die Finger und beschrieb mit dem Arm einen weiten Kreis. Sofort gaben die Flaggenmänner auf den Türmen den Befehl weiter. Fünf Kavalleristen und ein Magier galoppierten durch ein Ausfalltor hinaus.
    »Schau, da.« Hirad deutete zur linken Flanke. Etwa fünfzehn gegnerische Kämpfer brachen durch die Lücke und
ignorierten die Schlacht, während sie zur Burgmauer rannten. »Sind wir jetzt dran?«, fragte er.
    »Wir sind dran«, bestätigte der Unbekannte.
    »Das wurde aber auch Zeit.« Hirad lächelte.
    »Der Rabe!«, donnerte der Unbekannte. »Der Rabe kommt!« Er zog das
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