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Wandlung

Wandlung

Titel: Wandlung
Autoren: A Baker
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01 – Dickes Mädchen
    Jane wachte auf, streckte sich und beschloss, sich das Leben zu nehmen. Falls sie bis zum Ende des Tages keinen Grund gefunden hätte, weiterzuleben, würde sie sich von der Bohrinsel stürzen. Es war ein gutes Gefühl, einen Plan zu haben.
     
    Jane joggte durch die Wartungstunnels auf dem Deck C, Teil ihres allmorgendlichen Programms. Wände und Bodenplatten waren rostig herbsttonfarben, in den Rohrleitungen pochte es wie von einem schlagenden Herz: Heizung, Abwasser, Entsalzungsanlage.
    Jane war dick. Oft tat ihr schon das Gehen weh, und wenn sie die Toilette aufsuchte, bereitete ihr das Abwischen jedes Mal Mühe. Das war der Hauptgrund, weshalb sie den Job auf der Ölplattform angenommen hatte, die gigantische Ölraffinerie sollte ihre Gesundheitsfarm werden, sechs Monate fernab aller Supermärkte und Junkfood-Restaurants. Sie würde wie verwandelt in die Welt zurückkehren.
    Jeden Morgen streifte sie ihr ungeheuer ironisches, vor Selbsthass triefendes PORNO-STAR-T-Shirt über und drehte eine beschwerliche, kilometerlange Runde durch das metallene Labyrinth. Um zu verhindern, dass sie ihre Oberschenkel wund scheuerte, trug sie Radlershorts aus Lycra. Ein zusammengeknülltes Handtuch hinten in
den Shorts sollte verhindern, dass ihr der Schweiß in die Poritze lief. Ihre schweißnasse Trainingsjacke klebte schwer an ihrem Körper.
    Als Ziellinie diente ihr die Feuersammelstelle 59, ein roter Spind voller Atemgeräte und Feuerlöscher. Von der Anstrengung brannte ihr die Lunge. Das letzte Stück noch, dann taumelte sie nach Atem japsend gegen den Spind und suchte mit schweißnassen Fingern den Stoppknopf ihrer Armbanduhr. Vierzehn Minuten. Sie wurde immer langsamer, war kaum noch schneller als Schritttempo. Als sie die Strecke zum ersten Mal gelaufen war, war sie noch voller Elan dahingeflogen, jetzt spürte sie bei jedem Schritt ein Stechen in den Knien. Sie sollte ein paar Tage pausieren, ihrem Körper eine Chance zur Erholung geben, doch sie wusste, wenn sie ihre Routine einmal unterbrach, würde sie sich vielleicht nie wieder aufraffen.
    Normalerweise ließ sie ihrem täglichen Lauf ein paar Freiübungen folgen und strafte ihren beschämenden Körper mit einer Runde Gymnastik, an diesem Morgen jedoch überkam sie eine Woge der Sinnlosigkeit, die ihr jegliche Kraft raubte. Sie kehrte in ihr Zimmer zurück und schälte sich aus ihren nassen Kleidern. Duschte, seifte ihren mächtigen Bauch ein, walkte Hände voll teigigen Fleisches. Ihre Haut, normalerweise scheckig rosa wie das Innere einer Schweinefleischpastete, lief unter dem heißen Strahl der Dusche rot an.
    Sie trocknete sich ab, bestreute die Wogen und Falten ihres Körpers mit Talkumpuder und besprühte sich von Kopf bis Fuß mit Deospray. Ihr Konterfei mied sie, Spiegel waren ihr verhasst: schlaffe Brüste, Wülste von Fett, so, als wäre ihr Körper einer klebrigen Vanillesoße gleich in dicken Falzen aus einem Krug gegossen worden.

    Sie zog sich an, klemmte ihren Priesterkragen an Ort und Stelle und machte sich auf den Weg zur Kapelle.
     
    Die Kapelle war die letzte Einheit in einer Reihe von Ladengeschäften. Vor drei Jahren, als die Raffinerie auf Hochtouren lief, hatte Con Amalgam einen Friseur, einen Kramladen sowie einen Filmverleih bereitgestellt. Jetzt waren die Ladeneinheiten in der Passage verriegelt und mit Vorhängeschlössern gesichert. Die Bezeichnung »die Hauptstraße« hatte sich bei der noch verbliebenen Besatzung allerdings gehalten.
    Jane schloss die Kapelle auf und drückte auf den Lichtschalter. Die Kapelle bestand aus einem weißen Raum voller Metallstühle. Bunte Wandlampen erzeugten eine Illusion von farbigem Glas.
    Einem Schrank entnahm sie ihren Priesterrock und streifte ihn mühsam über.
    Sie begann den Gottesdienst, segnete die leeren Stuhlreihen. Stimmte die »klassischen Hymnen für den Gottesdienst« an.
    Am Pult stehend las sie ihre Predigt, es war jede Woche die gleiche. Manchmal trug sie sie mit einer albernen Stimme vor, dann wieder las sie sie von hinten nach vorn. Heute brach sie mittendrin ab, faltete aus jedem Blatt einen Papierflieger und ließ ihn quer durch den Raum segeln. Experimentierte mit unterschiedlichen Flügelkonstruktionen, um zu sehen, ob sie es bis zur Rückwand schaffte.
     
    »Die Arbeit ist hart«, hatte ihr der Bischof erklärt, als sie in seinem Arbeitszimmer zusammen einen Sherry tranken. »Sie werden lange von zu Hause fort sein. Sie werden die Mutter der Kompanie
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