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Der Verrat

Der Verrat

Titel: Der Verrat
Autoren: Rowland
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bestrafen würden. Abgesehen von Reiko und Fürstin Yanagisawa kannte niemand die Wahrheit – außer Kikuko, die sie nicht in Worte fassen konnte.
    Auch wenn Reiko Beweise gegen Fürstin Yanagisawa und Kikuko gehabt hätte – sie hätte die beiden nicht wegen des versuchten Mordes anklagen können. Kammerherr Yanagisawas Macht schützte seine Gemahlin und seine Tochter vor dem Gesetz. Selbst wenn sie Masahiro getötet hätten, wären sie der gerechten Strafe entkommen.
    »Vielleicht hat die Frau, die ihre Freundin angegriffen hat, mehr Glück gehabt, als sie verdient«, sagte Reiko.
    Sie erhob sich, um zu gehen, ehe sie etwas sagte oder tat, das sie später bereuen musste. Sie wollte so weit weg wie möglich von Fürstin Yanagisawa und sie niemals wiedersehen.
    Die Fürstin drehte sich zu Reiko um – ein stummes Flehen in den Augen. »Wir werden weiterhin Freundinnen sein, nicht wahr?«
    Allein der Gedanke, die Bekanntschaft mit dieser Frau aufrechtzuerhalten, als wäre nichts geschehen, ließ Reiko innerlich erschaudern. Die Fürstin in ihr Heim zu lassen, die Kinder zusammen spielen lassen, stets in Angst zu leben, ohne zu wissen, ob Fürstin Yanagisawa sich von ihrem Wunsch, zu töten, erholt hatte oder unheilbar krank war … nein, das war unmöglich. Doch Reiko wusste, dass sie der Gemahlin des Kammerherrn ihre Bitte nicht verweigern konnte. Überdies durfte sie Fürstin Yanagisawa nicht zurückweisen und dadurch zu weiteren Angriffen anstacheln. Reiko erkannte, dass sie einem ihrer schlimmsten Feinde gegenüberstand, denn diese Frau strebte nach ihrer Liebe ebenso wie nach ihrer Vernichtung.
    »Natürlich werden wir Freundinnen bleiben«, erwiderte Reiko.
     
    Es war eine kalte, verregnete Nacht in Edo. Eis hatte sich vor Sanos Haus auf die Zweige der Bäume im Garten gelegt, und in den Dachrinnen glitzerten Eiskristalle. Sano und Reiko lagen unter einer dicken Decke im Bett. Masahiro schlief in ihrer Mitte und atmete friedlich. Die Holzkohleöfen strahlten wohlige Wärme ab, und die Laterne leuchtete wie eine kleine Sonne. Sano genoss den Frieden, als die Anspannung der letzten Tage von ihm abfiel.
    »Der Ausgang der Ermittlungen erstaunt mich noch immer«, gestand Reiko. »Meine Freundin erweist sich als Feindin, dein Feind liefert den Hinweis, der zur Ergreifung des Mörders führt, und das Tagebuch, das wir für eine Fälschung hielten, erweist sich als das echte.«
    »Das Leben ist unberechenbar«, entgegnete Sano. »Die Dinge sind nicht immer so, wie sie scheinen.«
    »Und eine Frau, die wir für das Mordopfer hielten, erweist sich als verantwortlich für das Verbrechen und den Tod von Fujio, Momoko und der unbekannten Prostituierten.« Reiko drehte sich mit besorgter Miene zu Sano um. »Verwirrt dich das?«
    Erschütternde Erinnerungen trübten Sanos Zufriedenheit. »Als ich vor Gericht die Beweise vorbrachte, starrte Wisterie mich mit einem schrecklichen, bitteren Hass in den Augen an. Ich weiß, dass sie mich für ihren tiefen Fall verantwortlich gemacht hat. Als der Magistrat ihr erlaubte, das Wort zu ergreifen, sagte sie: › Man hat mich dazu getrieben.‹ Sie hat immer geglaubt, alles, was sie getan hat, sei gerechtfertigt gewesen durch das, was andere ihr angetan hatten. Sie ging in den Tod, ohne die Verantwortung für ihr eigenes Handeln zu übernehmen.«
    »Wisterie war von ihrer Rachgier besessen und wurde am Ende davon zerstört«, sagte Reiko. »Jetzt tut sie mir so Leid, dass ich ihr vergebe, egal, wie groß die Schwierigkeiten waren, die sie dir bereitet hat.«
    »So ist es auch bei mir«, sagte Sano.
    Sie lagen schweigend im Bett und dachten über die gefährliche, zerstörerische Kraft des Hasses nach, bedauerten die Rachsucht der Kurtisane und waren dankbar, dass das Schicksal ihnen die Katastrophe erspart hatte, die Wisterie Sano gewünscht hatte.
    Schließlich sagte Sano: »Zumindest hatten die Ermittlungen ein Gutes. Dein sicheres Gespür hat Masahiro das Leben gerettet. In Zukunft musst du stets deinem Gefühl vertrauen.«
    Reiko lächelte.
    »Doch es beunruhigt mich sehr, dass Fürstin Yanagisawa nun eine ständige Bedrohung für dich und Masahiro sein wird«, fuhr Sano fort.
    »Ich nehme an, dass wir uns früher oder später ohnehin jemanden zum Feind gemacht hätten, denn in unserer Welt wimmelt es von Feinden«, erwiderte Reiko mit einem resignierten Seufzer.
    »Du hast Recht«, erwiderte Sano und verstummte kurz, dann fuhr er fort: »Übrigens habe ich etwas Interessantes
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