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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten
Autoren: Ami McKay
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Mütter kamen und gingen und ständig die Türen zu diesem kleinen Gefängnis schlugen.
    Aus den Jungen wurden Gossenkinder, dann Taschendiebe, dann Schläger. Sie streunten durch die Straßen, die Augen auf die seltenen, faustgroßen Kohleklumpen in fremden Aschetonnen gerichtet, die Ohren auf das betörende Prasseln der Bohnen, in deren Säcke sie auf dem Tompkins-Markt ihre Messer stachen. Sie bettelten Damen um Almosen an, bedrängten Männer wegen Uhren und Ketten.
    Kid Yaller, Pie-Eater, Bag o’ Bones, Slobbery Tom, Four-Fingered Nick. Ihre Spitznamen leiteten sich ab von Narben und fehlenden Körperteilen, von Großtuerei und Pech. Jack the Rake, Paper-Collar Jack, One-Lung Jack, Jack the Oyster, Crazy Jack. Sie trugen das Haar kurz geschnitten und hefteten die ausgefransten Jackenärmel an ihre Manschetten. Die wütende Hand eines Verkäufers sollte nichts festhalten, nicht einmal eine Laus sollte sich irgendwo einnisten können.
    Die Mädchen verkauften Streichhölzer oder auch Nadeln, später Blumen oder geröstete Maiskolben, schließlich sich selbst.
    Mit neun, zehn oder elf Jahren spürte man, wie es nahte, das Leben der Mutter, die Entbehrungen – und die ständige Frage, wovon man sich trennen, welches Kinkerlitzchen man verkaufen, welchen Traum man als Nächstes begraben musste.
    Der wertvollste Besitz eines Mädchens verbarg sich zwischen den Beinen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er an den Meistbietenden oder den Schnellsten veräußert wurde – nie aber eine Frage von Ja oder Nein.
    Wir bildeten eine Stadt in der Stadt, wir, die wir auf Dächern, unter Stiegen, hinter Heustapeln und zwischen Kisten voll alter Schuhe und Äpfel lebten. Wir Lumpensammler, Maismädchen und Laufmädel.
    Wir schlugen uns irgendwie durch, mit den Pennys aus der Geldbörse einer mildtätigen Dame und dem Nickel eines fremden Herrn, der sich dafür unsere Fußknöchel oder den bloßen Nacken »nur noch ein klein wenig länger« anschauen durfte. Manche von uns waren tatsächlich Waisenkinder, doch im Grunde waren wir alle irgendwie verwaist. Für Mr. Alsop, den Fischhändler, waren wir nur »Abschaum«. Er erwartete uns schon mit seinem langen dünnen Stock, doch sein Stand war von Fässern voller Salzheringe umgeben – voller getrockneter, zäher Kostbarkeiten mit traurigen kleinen Augen.
    Im Sommer schliefen wir auf Feuertreppen. Im Winter flüchteten wir in verkommene Stallungen und kämpften mit Ratten und Bettlern um jeden freien Platz.
    Wir kamen aus Hinterhöfen und Kellern, aus Armut und Stolz. Wir hatten lange Finger und flinke Beine, und wer es aus unserer Mitte schaffte und älter als dreizehn, vierzehn oder fünfzehn wurde, wem das Leben glückte – aus dem und uns allen wurde New York.



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    LOGIS FÜR JUNGES FRÄULEIN GESUCHT
    Suche für meine Tochter Logis in
einem Privathaus von gutem Leumund,
wo man ihr eine angemessene Erziehung
und strenge Aufsicht angedeihen lässt.
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    I
    M ama verkaufte mich, da war ich zwölf.
    In jenem Sommer war alles so klebrig wie Maishaar – mein Kleid, die Pfiffe der Schuhputzer, die Schulden, die Mama im Umkreis von fünf Blocks bei jedem Mann hatte, der einen »Mister« vor dem Namen trug. Gleich nach der Erdbeerzeit gab es Unruhen, und viele verloren in der Hitze, die den Juni, Juli und August über dauerte, den Verstand. Mr. Striech, der Metzger, stach Lydia Worth, der Näherin von nebenan, mit dem Messer ins Gesicht, weil sie seinen Heiratsantrag abwies. Die Nachbarin über uns, Mrs. Glendenning, versteckte aus lauter Verzweiflung ihr Baby nach dessen Tod in einem Ofenrohr. Als die Polizei sie holte, horchte ich an der Tür. Mrs. Glendenning hatte sich nur die minderwertigste Milch leisten können und war überzeugt, dass dies schuld am Tod ihres Kindes war. Sie weinte und klagte, ihre schmerzerfüllten Schreie hallten durch das düstere Treppenhaus wie das Heulen eines sterbenden Hundes.
    Abends, wenn es im Haus vor lauter Hitze nicht mehr zu ertragen war, ließ ich die Chrystie Street
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