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Gottes Gehirn

Gottes Gehirn

Titel: Gottes Gehirn
Autoren: Jens Johler , Olaf-Axel Burow
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Eklund
    Am Nachmittag des siebten Juli machte Britta Eklund, die Frau des Nobelpreisträgers John Eklund, eine grauenhafte Entdeckung. Britta hatte, da ihr Mann an einem neuen Buch arbeitete und Ruhe brauchte, einige Freundinnen zu einem Ausflug auf ihre Yacht eingeladen. Eigentlich hatten sie drei volle Tage fortbleiben wollen, aber da Ethel, die Frau des Senators, ganz überraschend einen Anruf bekam und erfuhr, dass sie Großmutter geworden war, kehrte die Yacht mit den Champagner trinkenden Damen einen Tag früher als beabsichtigt nach Fort Lauderdale zurück.
    Sie waren alle bester Stimmung, als sie in die Millionaire’s Row einbogen, den weit verzweigten Wasserarm, an dessen Ufern sich die Happy few aus Film, Politik, Wissenschaft und Big Business ihre Villen gebaut hatten. Hinter einem Wald von Masten und Segeln mehr oder weniger eleganter, zumeist aber luxuriöser Yachten und hinter den tief hängenden Zweigen ausladender Trauerweiden bot sich ein Querschnitt durch die architektonischen Träume und Verirrungen der Menschen, die sich über Geschmack und Zurückhaltung keine Gedanken mehr zu machen brauchten. Wie selbstverständlich duckte sich zwischen zwei opulenten Kolonialvillen der flache Kubus eines vom Bauhaus inspirierten Bungalows, und neben einem luxuriösen Palast im maurischen Stil moderte ein Holzhaus aus dem Südwesten mit umlaufender Veranda und Staketenzaun vor sich hin.
    Britta setzte Ethel und die übrigen Damen ab und tuckerte mit der gewohnten Vorfreude auf ihr Haus zu. Sie liebte dieses Haus. John hatte es von dem Geld bauen lassen, das er mit seinem ersten und einzigen Bestseller verdient hatte. Wege aus der Klimafalle war vor siebzehn Jahren ein Aufsehen erregendes Buch gewesen, es war in zweiundzwanzig Sprachen übersetzt worden und hatte sie reich gemacht. Nun ja, reich. Aber zusammen mit dem Geld für den Nobelpreis hatte es für das Haus und das sündhaft teure Grundstück gereicht.
    Zwischen den Weiden, deren Zweige bis hinunter ins Wasser reichten, konnte Britta jetzt das Haus sehen. Alles schien wie sonst. Der Wagen stand im Carport, also war John zu Hause. Irritierend war nur der Lieferwagen mit dem Dell-Logo, der in der Einfahrt stand. Hatte John sich einen neuen Computer bringen lassen? Das hätte sie sehr gewundert, benutzte er doch die neuen Geräte ausschließlich in der Universität. Zu Hause begnügte er sich immer noch mit seinem alten Mac, auf dem damals das Buch entstanden war. Merkwürdig, obwohl er einen so strengen mathematischen Verstand hatte, war John zutiefst abergläubisch. Sie hatte ihn schon oft damit aufgezogen, dass er glaubte, der Zauber seines Erfolges würde sofort verfliegen, wenn er seinem alten Mac untreu würde.
    Britta drosselte den Motor und nahm Kurs auf den Landungssteg. Sie war nun doch beunruhigt. Zwei Männer hatten die Hecktüren des Transporters geöffnet und offenbar in höchster Eile eine Trage ins Haus gebracht, auf der jemand zu liegen schien. Was ging hier vor? War John etwas passiert? Warum kamen die Männer mit der Trage aus einem Dell-Transporter?
    Für einen Augenblick war Britta unaufmerksam gewesen. Es gab einen fürchterlichen Schlag, ein heftiger Ruck zog ihr den Boden unter den Füßen weg, und sie prallte gegen die Frontscheibe der Steuerkabine. Ich hab den Steg gerammt, dachte sie noch, dann wurde ihr schwarz vor Augen.
    Als sie wieder zu sich kam und sich benommen am Steuer hochzog, sah sie, wie dicke, schwarze Rauchschwaden aus dem Haus drangen. Mit einem Satz sprang sie vom Schiff auf den Anlegesteg und begann zu laufen.
    John! John! Sie wollte seinen Namen rufen, aber sie kriegte keinen Ton heraus. Als sie die Terrasse erreicht hatte, fiel ihr ein, dass ihre Handtasche mit den Schlüsseln noch auf der Yacht war. Sie dachte daran zurückzulaufen, aber als sie sich umdrehte, sah sie, wie die Yacht auf die Mitte des Flusslaufes zutrieb. Die Terrassentür, dachte sie, vielleicht ist die Terrassentür offen. Sie hastete über die Terrakottaplatten und rüttelte am Türgriff. Verschlossen. Sie presste ihr Gesicht gegen die Scheibe und versuchte zu erkennen, was drinnen los war. John lag im Wohnzimmer auf dem Boden. Der Holzstapel neben dem Kamin brannte lichterloh. Aus Sofa und Sesseln drang dichter Qualm hervor.
    Britta hämmerte mit den Fäusten gegen die Scheibe, aber es gelang ihr nicht, sie einzuschlagen. Sie brauchte einen Stein, einen Hammer, irgendetwas. Ihr Blick fiel auf die beiden Golfschläger, die am Rande der
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