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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten
Autoren: Ami McKay
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aus feinster Seide schwebte ich durch den Ballsaal und den Wintergarten. Manchmal war das Kleid ein Vergissmeinnichtblau, manchmal ein züchtiges Flieder, meistens aber war es blütenrosa, und um seinen Saum wanden sich ellenlange Bänder aus tiefschwarzem Samt. Doch welche Farbe ich dem Kleid auch gab, mein Tagtraum endete immer in einem Federbett. Lächelnd und nackt lag ich auf einer Matratze, die so dick und weich war, dass man fast darin versank. Mama ahnte nicht, dass ihr Anwesen beim Park, in dem man die Zimmer nicht zählen konnte, nur dann in meinem Denken war, wenn das Haus und sein gesamter Inhalt mir gehörten.
    Dreizehn , sagte ich mir, wenn Mama ihre Rede von Dienstbotenquartieren und dem Lohn der Hausmädchen begann. Ich bleibe bei Mama, bis ich dreizehn bin. Bis dahin, hoffte ich, würde sich eine Möglichkeit ergeben, aus eigener Kraft etwas aus mir zu machen, etwas, das jenseits von Mamas Erwartungen lag.
    Sie kam zu mir im Schlaf und rüttelte an meiner Schulter. Ich drehte mich um und rollte mich auf meiner Hälfte unserer durchgelegenen Strohmatratze ein.
    Â»Wach werden, Moth«, drängte Mama. »Raus aus dem Bett, zieh deine Sachen an.«
    Der Klang ihrer Stimme war falsch, sie war dünn und seltsam angespannt, doch all das konnte nur eines bedeuten: dass es irgendwo brannte.
    Für Mama gab es nichts Schöneres, als zuzusehen, wie ein Haus in Flammen aufging. Ihre Leidenschaft äußerte sich in dem verrußten Krimskrams, der sich auf der Fensterbank des vorderen Zimmers sammelte und von allen möglichen Brandstätten stammte: eine zerborstene Rasierschale, ein geschwärzter Türstopper in Form eines Hundes, unzählige Scherben geschmolzenen Glases – in Braun, Grün und Blau –, sogar ein winziger Toilettentopf aus Porzellan, auf dem Mach schon stand. Mama hatte sich an dem Ding böse verbrannt und immer noch eine Narbe an der rechten Hand.
    Â»Geh ohne mich«, lallte ich mit schlafschwerer Zunge. »Ich muss das nicht unbedingt sehen.«
    Â»Steh auf«, beharrte sie und zwirbelte an den feinen Härchen in meinem Nacken, bis ich mich vor Schmerz aufsetzen und die Augen öffnen musste.
    Ihre Ohrringe, die sie auch nachts trug, zwinkerten mir im Kerzenschimmer zu. Mama nahm mein Kleid vom Bettpfosten und warf es mir hin. Dann holte sie nach und nach meine Sachen aus unserer Kommode und warf auch sie auf das Bett: ein Paar Strümpfe mit durchgewetzten Zehen, meinen alten Unterrock, die Stoffpuppe, die ich als Kind überall mit hingetragen und Miss Sweet getauft hatte. Unter Mamas Griff löste sich ein Arm, und der Rest von Miss Sweet fiel zu Boden. Mama hob den dünnen, schlaffen Körper auf und sah mich an.
    Â»Willst du die noch?«, fragte sie.
    Â»Ja, ja«, murmelte ich, während ich mir das Kleid über den Kopf zog.
    Mama nahm Puppe und Arm und stopfte beides in einen leeren Kissenbezug. Dann hielt sie mir das Bündel hin und sah zu dem Haufen auf unserem Bett. »Pack deine übrigen Sachen auch da rein.«
    Â»Was ist denn?«, fragte ich, als sie an meine Taille fasste, um mir die Schärpe zuzubinden. »Brennt es? Sind wir in Gefahr?«
    Â»Es brennt nicht, und es gibt auch nichts, weswegen du dir Sorgen machen müsstest«, erwiderte sie und flocht mir das Haar im Rücken zu einem lockeren Zopf. Ich hörte das Rascheln, als das Band in eine Schleife gewunden wurde, spürte das Ziehen, als sie stramm zugezogen wurde. Mama drehte mich um und strich mir eine Strähne aus der Stirn. »Du unternimmst einen kleinen Ausflug, weiter nichts. Ich habe eine hervorragende Stellung für dich gefunden, aber du musst heute Nacht noch aufbrechen.« Dann drückte sie mir die ausgebeulte Kissenhülle in die Hand, nahm mich am Arm und führte mich in das vordere Zimmer.
    Neben Mamas Wahrsagetisch, in unserem Samtschaukelstuhl, einem der wenigen Dinge von Wert, die Mama noch nicht verkauft hatte, saß eine Frau. Sie trug ein elegantes, dunkles Kleid mit einem passenden Umhang, der sich über den Sessel ergoss. Ihr Gesicht wirkte weich, die Augen waren feucht und glänzten. Ihr Hut war mit einer großen Schleife unter dem Kinn geschlossen, ihr fleischiger Hals wölbte sich darum herum, als ob er Butter und Sahne wäre. Bei meinem Anblick hob sie ihre Röcke vorn ein wenig hoch und änderte die Sitzhaltung. Ich konnte die Schuhe erkennen – schwarze Lederstiefel,
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