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Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten
Autoren: Ami McKay
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hinaufgebrüllt: »Katie Adams, du Hure, gib mir meinen Ehemann zurück!«
    Wenn sich die Nachbarn über den Tumult beschwerten, ging mein Vater hinunter auf die Straße, um Mama zu beruhigen. Er küsste sie, bis sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten konnte, aber er kam nie mehr nach Hause.
    Â»Der ist endgültig weg«, hatte Mrs. Riordan zu Mama gesagt. »Ihr Mann ist ein Mann, der nur das Erste will, und solche Männer brechen einer Frau das Herz.«
    Sie meinte damit, dass ihn an jedem Mädchen nur das Erste interessierte – das erste Lächeln, der erste Kuss, das erste Mal, wenn er es ins Bett locken konnte. Bei Mama gab es nichts, was ihn gehalten hätte. Ihre ersten Male waren längst vorbei.
    Â»Diese gottverdammte Katie Adams …«, murmelte Mama, wann immer etwas schiefging.
    Das zu hören, war schrecklich. Lieber hörte ich Mama Worte wie Mist , Pisse oder Scheiße gebrauchen.
    An dem Tag, als mein Vater fortging, ertönte auf der Straße »Sieg bei Shiloh!« An jeder Ecke riefen es die Zeitungsjungen, und ich stand auf der Treppe und sah meinem Vater nach. Als er den Gehweg erreichte, lüftete er den Hut und lächelte. Zucker rieselte aus der durchlöcherten Tasche, in der er Mamas silberne Dose verbarg, und sammelte sich weiß auf den Pflastersteinen. Manchen Menschen sind große, bedeutende Erinnerungen an die Jahre des Krieges geblieben – die glückliche Heimkehr eines Bruders, Geliebten oder Ehemanns, der Anblick des Leichenwagens von Präsident Lincoln, den all die schönen schwarzen Pferde mit ihrem Federputz über den Broadway ziehen. Mir blieben »Sieg bei Shiloh!« und ein rasches Lächeln.
    Unser Zuhause waren zwei Zimmer in den sogenannten »Schlachthäusern«. Der Komplex bestand aus sechs Gebäuden mit je vier Geschossen – drei Häuser lagen ohne eine Lücke dazwischen direkt an der Straße, drei auf dem Grundstück dahinter. Wer dort lebte, konnte sicher sein, auch dort zu sterben. Im Sommer erstickte man an der Hitze, im Winter erfror man. Andere fielen Krankheit und Hunger, dem Zorn eines Nachbarn oder der eigenen Hand zum Opfer.
    Manche Mutter darbte tagelang mit leerem Magen vor sich hin, damit sie genügend Geld hatte, um wenigstens den Kindern etwas Essbares zu kaufen. Wer mehr zusammenkratzen konnte, setzte eine Anzeige in den Evening Star :
    MEIN LIEBSTER JOHN , komm bitte nach Hause.
Wir warten auf Dich.
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    Gesucht wird FORREST LAWLOR ,
zuletzt gesehen an der Kreuzung Grand und Bowery.
Er ist Vater von vier Kindern und von
Beruf Kupferschmied.
    â€“––––––––––––––––––––––––––
    An STEPHEN KNAPP , kriegsversehrt.
Ich werde Dich mit offenen Armen willkommen heißen.
Deine Dich liebende Gattin Elizabeth.
    Sie versammelten sich in den Hinterhöfen, rieben Kleidungsstücke mit Steinen über die Waschbretter und klagten ihren verlorenen Männern nach. Eine neben der anderen hängten sie ihre Wäsche auf Leinen, die sich wie ein Fadenspiel durch das dunkle, enge Geviert der Höfe zogen.
    Unser Hinterhof war besonders dürftig, denn er hatte nur drei und nicht vier Seiten. Seine Hauptattraktionen waren eine leckende Pumpe und die fünf Plumpsklos ihr gegenüber. Die Toilettenhäuschen stützten einander wie betrunkene Huren, und so schwankten, nässten und stanken sie auch. Nur eine einzige Tür ließ sich schließen, die anderen hingen halb aus den Angeln. Mr. Cowan, der Mann unserer Vermieterin, kümmerte sich weder um Reparaturen noch um den Müll, und so türmte sich auf dem Hof das, wofür niemand mehr Verwendung hatte: verfaulter Abfall, verkrüppelte Hocker, zerbrochenes Porzellan, eine magere, maunzende Katze mit ihren hungrigen Jungen.
    Die Frauen tratschten und murrten, wenn sie vor der Pumpe Schlange standen, um sie herum krabbelten Heerscharen von Fliegen und Kindern. Die Kleinsten bettelten nach der Brust ihrer Mutter, die älteren Kinder wühlten und spielten mit Brettern und Ziegeln, bauten sich in den dreckigen Höfen Brücken und Trittsteine über die Rinnsale aus Unrat. So verbrachten die Kinder den Tag, während die
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