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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
Autoren: Jay Lake
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Verbündeten stürzten sich auf den Gott. Der Faktor stürmte vor wie ein schnatternder mythischer Geist, dicht gefolgt von seinen dienstbaren Totengeistern.
    Obgleich ich so dicht an dem mörderischen Geschehen stand, wich ich nicht zurück. Ich musste wissen, was als Nächstes geschah.
    Blitze begannen wieder einzuschlagen, doch dieses Mal sprangen sie von Dach zu Dach die ganze Roggenstraße hinab. Funken sprühten über die Straße hinweg. Feuerkugeln rollten zischend über das Pflaster. Der Donner wurde zu einem ununterbrochenen Getöse, das erst endete, als meine Ohren versagten.
    Es war, als beobachtete ich ein Pack von Kötern. Die Tulpas der Stadt hassten den neuen Gott. Sie zerrten an ihm, packten ihn, rammten ihn. Mutter Eisens Hände glühten rot, während sie rauchende Furchen durch Choybalsans Haut zog. Der Dünne Waldmann traktierte ihn mit Schlägen, die einem Sterblichen jeden Knochen zerschmettert hätten. Einer der anderen, ein watschelnder grüner Haufen, der der Avatar der Fäulnis hätte sein können, überzog Choybalsans Kopf mit einem grünen Schleim. Hautlos trommelte nur mit seinen mächtigen bloßen Fäusten auf ihn ein.
    Der Widerstand des Gottes ließ nach. Er sank auf das Pflaster, erst auf die Knie, dann rollte er auf die Seite. Das Zischen der Blitze erstarb. Kühle Abendluft wehte mir ins Gesicht. Ich dachte, der Kampf sei vorüber.
    Hautlos beugte sich hinab, um Choybalsan den Arm abzureißen, als der Gott auf den Rücken rollte und die Augen öffnete. Dabei konnte ich Wunden an ihm sehen – nicht von diesem Kampf. Schreckliche Verbrennungen, aus denen rote und blasse Nässe sickerte.
    Diese Verletzungen musste er erlitten haben, als die Tanzmistress und ich das Zelt in die Luft gesprengt hatten. Sie schienen noch immer frisch zu sein. Ich hatte Mitleid mit Federo, der solche Qualen litt, wo immer er unter dieser göttlichen Umhüllung stecken mochte. Er zeigte sein wahres Aussehen.
    Es war der Sieg. Der Gott lag am Boden, seine Macht schwand dahin. Ich lächelte dem Faktor zu, der mit einem grimmigen Ausdruck in seinem geisterhaften Gesicht auf der anderen Seite der Kämpfenden stand.
    Als Hautlos anfing, Choybalsan auseinanderzureißen, spannte der Gott die Muskeln und brach die Unterarme des Avatars. Hautlos schrie quiekend und dünn wie ein sterbendes Kaninchen und wich zurück. Choybalsan sprang auf die Füße. Er packte das watschelnde grüne Ding und zerfetzte es in kleine Stücke. Er riss den Dünnen Waldmann entzwei und warf die Teile über die Dächer zum nächsten Block. Er schloss seine Arme um Mutter Eisen und drückte zu, dass sie schnaufte wie ein überhitzter Schiffskessel. Dann schleuderte er sie auf den Boden, dass die Pflastersteine barsten.
    Dann wandte er sich mir zu. Blitze tanzten wieder über die Dächer und ließen die Eisenzäune der kleinen Gartenbeete leuchten. Trotz meiner mutigen Worte von vorhin wusste ich, dass ich ihm nicht noch einmal gewachsen war. Seine göttliche Erscheinung war nun vollkommen.
    Wie besiege ich einen Gott? Es waren keine Priester hier, die ich töten könnte, und er hatte eine Armee von Anbetern da draußen vor der Stadt. Das war auch der Grund, weshalb sie hier waren – nicht, um die Stadt zu überrennen, sondern um die Inbrunst ihres frischen Glaubens an Choybalsan aufrechtzuerhalten.
    Er hatte Gebete. Ich hatte Wut. Aber meine Wut trieb nur mich und die um mich in den Kampf. Der Gott hatte eben die mächtigsten Wesen besiegt, die ich gegen ihn hatte aufstellen können.
    Was würde Ausdauer tun? Was würde meine Großmutter tun?
    Geduld. Alle beide hätten sie mir auf ihre Weise zur Geduld geraten.
    Seine Hand streckte sich mir entgegen. Seine Finger waren zerschmettert und wurden allein von seiner Willenskraft beherrscht.
    Mehrere Fragen gingen mir durch den Kopf.
    Weshalb hatte ihn die Explosion verletzt? Sie hatte nichts mit meinen Händen zu tun.
    Warum hatte das Glas Hautlos verletzt, dem Waffen nichts anzuhaben vermochten? Weil das Glas von einem Gott geschleudert worden war.
    Welcher Gott hatte Feuer und Sturm in Choybalsans Zelt ausgelöst? Er war dieser Gott gewesen, der silberne Splitter seiner göttlichen Gnade in mir.
    Ich ließ mich schwer auf das Pflaster sinken. »Halte ein, Choybalsan. Ich werde freigeben, was du suchst.«
    Selbst durch den rollenden Donner hörte er mich. Er zog seine Hand zurück, und ein Lächeln, das ein wenig an Federo erinnerte, glitt über sein zerstörtes Gesicht. Ein langer, schmaler
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