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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
Autoren: Jay Lake
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erneut gestohlen. Sie erfüllte einen anderen Menschen. Nach Jahrhunderten des Vergessens um die Beschaffenheit der Götter dieser Stadt wähnte sich die Macht selbst als Gott. Sie durchdrang den Mann, dem sie innewohnte, wie Würmer das Herz eines Hundes. Dieser neue Gott würde in jedem Land zwischen dem Zentrum der Stadt und den Rändern der Platte der Welt gefürchtet werden.
    Die Macht strebte danach, ein wiedergeborener Titan zu sein. Ihr fehlte nur der letzte Splitter der alten Macht, das letzte Quäntchen göttlicher Gnade.
    Heute ist dieser Gott aus der Welt geschieden und mit ihm der unglückliche Mensch, der seine Heimstatt war. An seiner Stelle ist ein neuer Gott der Geduld geboren worden. Es ist der erste Gott, der seit vielen Jahrhunderten wieder dieser Stadt entsprang. Dieser Gott ist der Ochse Ausdauer. Wortlos, sodass die Stadt auf sich selbst hört. Ohne Hände, sodass die Stadt nicht leichtfertig zu den Waffen greift. Imstande, die Erde mit einem Pflug zu furchen, dass die Stadt wachsen kann.
    Sprecht ein Gebet zu Ausdauer für die Seele des Mannes Federo. Sprecht ein Gebet zu Ausdauer für die Geschicke der Stadt in dieser Geschichte. Betet zu Ausdauer, dass er euch auf dem Pfad nach dem Tode tragen möge, wie er meine Großmutter vor so langer Zeit trug.«
    Ich senkte den Kopf. Die Menge löste sich langsam und ohne einen Ruf der Begeisterung oder des Zornes auf. Die Menschen redeten still miteinander auf dem Weg.
    Die Verwundeten und die Toten nahmen sie mit. Ebenso das meiste, das auf der Straße lag – als Andenken oder einfach nur aus Bürgerpflicht. Fackeln wurden vor der Ruine der Stoffbörse aufgestellt, während einige hineingingen und andere herauskamen.
    Der Tavernenwirt beugte sich zu mir. »Komm mit mir«, sagte er. »Du musst etwas essen und dich aufwärmen.«
    Chowdry hielt meinen Arm, während wir die Genette durch die Stadt begleiteten. Die Taverne war überfüllt mit Genetten. Sie gedachten derer, die sie verloren hatten, und sprachen über die anderen, deren Wunden in den oberen Tavernenzimmern gepflegt wurden.
    Ein Platz wurde freigemacht. Gleich darauf stand ein gutes selistanisches Curry vor mir. Der Tavernenwirt setzte sich einen Moment zu mir.
    »Warum sind sie nicht wütend?« Ich deutete mit dem Löffel in den Raum.
    »Sie sind der Tanzmistress hierher gefolgt, um Choybalsan aufzuhalten. Kaum jemand wusste von ihren anderen Absichten mit dem Rektifizierer.«
    »Die Verschwörung in der Verschwörung«, murmelte ich. Erst zum Sturz des Herzogs und dann zur Heimholung seiner Macht.
    »Ich glaube nicht, dass sie das von Anfang an vorgehabt hat.«
    »Sie wird mir fehlen«, sagte ich ihm. »Ich hätte es gerne aus ihrem Mund gehört.«
    »Verlässt du uns denn?« Er schien überrascht zu sein.
    »Ich … weiß es noch nicht.«
    »Na ja, sie ist nicht tot. Sie liegt in einem meiner Zimmer oben.«
    Ich schob das Curry von mir und warf fast den Stuhl um, als ich aufsprang. »Ich gehe sofort zu ihr.«
    An der Tür gab es einen Tumult. Zwei Stadtwachen verschafften sich Zugang. Sie sahen sorgenvoll aus. Einer hatte eine Schramme im Gesicht. Sie brachten Mr. Nast herein.
    »Wo ist Mistress Green?«, fragte der Schreiber mit seiner dünnen, strengen Stimme.
    »Hier«, sagte ich. Die Tanzmistress wartete oben, und ich ließ mich ungern aufhalten.
    Er entdeckte mich erleichtert. »Verzeih mir die Störung, Mistress«, sagte er, »aber Kapitän Jeschonek möchte wissen, welche Pläne du mit der Armee hast, die auf der Gerstenstraße lagert. Sie haben da draußen einige verdammt große Feuer angezündet.«
    »Um aller heiligen Dinge willen«, begann ich und brach ab. »Was erwartet Jeschonek von mir?«
    »Der Kapitän sagt, nachdem du es warst, die ihren Gott verjagt hat, solltest du es ihnen auch erklären.«
    Tausend bewaffnete Männer am Rande des Aufruhrs. Ich erwog ernsthaft, nein zu sagen. Der Übergangsrat würde es verdammt schwer haben, mich hier, umgeben von Dutzenden Angehörigen des Volkes der Tanzmistress, gewaltsam herauszuholen.
    Andererseits hatte ich so viel auf mich genommen, um einen Kampf zu verhindern. Wenn sie jetzt losschlugen, war alles umsonst gewesen.
    »Hol mir Chowdry«, sagte ich zum Tavernenwirt. »Ich will ihn befördern.«
    Als ich durch die Menge zurückgewankt war, stand der Selistani mit besorgter Miene an der Tür.
    »Ich habe eine neue Aufgabe für dich«, sagte ich ihm. »Der Gott Ausdauer hat eine Armee von Anbetern draußen vor der Stadt. Sie
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