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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
Autoren: Jay Lake
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etwas, das dir nicht gehört. Etwas, das niemals für die Menschen bestimmt war.«
    »Wer immer diese Macht einst besessen haben mag, jetzt gehört sie mir.« Er spannte seine zerstörten Finger und deutete auf ein Gebäude an der Straße. Ein einzelner Blitz fuhr in das Dach, das in einem Schauer von zerschmetterten Ziegeln und rauchenden Splittern aufging.
    »Den Trick kennen wir nun schon«, hörte ich mich sagen.
    Er sah mich an. Der Blick seiner Augen ließ mir das Blut gefrieren. »Ihr seid beide hier. Zusammen seid ihr die Schlüssel.«
    »Nein.« Die Tanzmistress war nun auf Armlänge herangekommen. Ihre Leute standen dicht hinter ihr, zusammen mit dem Ochsen Ausdauer.
    Ich hörte sein Schnauben nicht, wie ich es aus der Erinnerung kannte. Da begann ich zu verstehen, dass es mir gelungen war, etwas Göttliches zu rufen. Mein göttlicher Splitter hatte gesprochen, mein Teil der Macht des Herzogs. Niemand hatte Ausdauer gesandt, ich hatte ihn gerufen.
    Einen stillen, stummen Gott der Geduld, der, wenn er lange genug überlebte, wachsen würde, wie Götter das nach meinem Verständnis vermochten.
    Die Tanzmistress fuhr fort: »Es gibt keine Schlüssel. Du bist ein schadhaftes Gefäß, gleich einem Wassertopf, in den jemand das flüssige Eisen der Schmiede geleert hat. Diese Macht war nie für dich bestimmt.«
    Der Faktor trat dicht heran. Sein Geist flackerte. Ich konnte sehen, dass ihn die Genetten beunruhigten. »Gib die Macht ab, Federo«, sagte er. »Sie beherrscht dich, du bist nicht ihr Meister.«
    »Nein.« Choybalsan begann zu beben. Der metallische Geschmack war wieder in meinem Mund. »Nein, ich werde sie nicht hergeben!«
    Die Tanzmistress fuhr ihre Krallen aus. »Waffen können dir nichts anhaben, aber ich habe hundert meines Volkes hier. Ich versichere dir, dass wir dich zerfleischen können, bis nur noch eine Blutlache auf diesem Pflaster steht.«
    Geduld. Jedes Mal, wenn diese Auseinandersetzung in Gewalt ausuferte, wurden die Dinge schlimmer. Ich pflegte Menschen zu töten, aber dies war sowohl mehr als auch weniger als das.
    Wir brauchten diesen Gott nicht zu töten. Wir mussten ihn nur überreden, aufzugeben.
    »Bitte«, sagte ich zur Tanzmistress. »Bitte, lass es mich versuchen.«
    Ich nahm Federos Hand, während der Gott in ihm seinen anderen Arm hob, um mehr Zorn auf uns zu entladen. Er versuchte, sie mir zu entziehen, aber vermochte es irgendwie nicht. Stattdessen wandte er sich zu mir um.
    »Du hast mich vor dreizehn Jahren geholt.« Ich packte seine Finger fest, als wäre er Papa und nicht loszulassen, hätte mich damals retten können.
    »Das war der Mensch Federo«, polterte er mit einer Stimme, die meine Rippen schmerzen ließ.
    Ich ignorierte ihn und fuhr fort: »Ich hasste dich dafür. Du warst freundlich genug in Taten und Worten und gabst mir besseres Essen, als ich je zuvor hatte. Manchmal kann das für ein Kind genug sein.«
    Sein Blick schien einen Moment lang fern und ohne Ziel zu sein. »Du warst ein kluges Mädchen«, hörte ich den Mann im Inneren des Gottes sagen.
    »Jetzt bin ich hier, um dich zurückzufordern. Welche Liebe du auch für sie empfindest …«, und dabei warf ich einen Blick auf die Tanzmistress, »welche Liebe auch für mich in deinem Herzen ist, lass sie dich leiten, mir zu folgen, wie ich dir einst gefolgt bin.«
    »Ich weiß nicht, wie ich loslassen kann«, flüsterte Federo. Funken stoben in den Augen des Gottes. Er schob mich von sich. Ich verdanke mein Leben dem Umstand, dass es der Mann war, der mich stieß, und nicht der Gott, denn ich fiel nur zu Boden, statt begleitet vom Geräusch brechender Knochen einen halben Block die Straße hinabzuschlittern.
    Dann brach der Ansturm los. Ich rollte mich zusammen, als Dutzende von krallenbewehrten Füßen dicht an mir vorbeistürmten. Einen panischen Moment lang schloss ich meine Augen, zu feige, dem Tod ins Gesicht zu sehen.
    Doch mein Körper wurde nicht zerfetzt. Stattdessen vernahm ich den zischenden Knall von Blitzen in der Luft. Der metallische Geschmack war wieder da. Alle Haare auf meiner Haut standen wie Stacheln. Donner rollte in meinen Ohren, bis nur noch eine schwere, erdrückende Stille übrig blieb, obgleich von den Steinen unter mir der Schall mit ähnlicher Wucht in meine Knochen drang wie die Stimme des Gottes zuvor.
    Göttin, betete ich, lass Gnade für uns alle walten.
    Ich öffnete die Augen und sah den göttlichen Ausdauer über mir stehen, nicht viel anders, als der Ochse es einst in
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