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Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Der verborgene Hof: Roman (German Edition)

Titel: Der verborgene Hof: Roman (German Edition)
Autoren: Jay Lake
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einzige vervielfachte Stimme.
    »Wir hatten seit Jahrhunderten keinen Krieg. Warum zettelt Choybalsan jetzt einen an?« Ich warf einen Blick zur Sonne, die bereits hinter den Gebäuden verschwunden war, aber immer noch einen Fingerbreit über dem Horizont stehen musste. »Warum will uns Stadtrat Federo in einen Krieg stürzen?«
    Eine Pistole knallte hinter mir. Ich ließ mich fallen, obgleich das Geschoss bereits an mir vorbeigezischt und einem Mann in Anwaltskleidung direkt in die Brust geschmettert war. Ein weiterer Schuss zersplitterte Stein in der Nähe meines Kopfes.
    Der Mob stürmte die Stufen empor. Ich schob mich seitwärts in ein verwildertes Stück Garten und landete mitten in Dornenbüschen.
    Auch das würde ich ertragen.
    Ich kämpfte mich auf die Füße. Ein Wachposten flog schreiend über meinen Kopf. Hautlos tauchte neben mir auf. Ich hörte Nasts Stimme rufen, doch gleich darauf verstummte der alte Schreiber mit einem gurgelnden, knirschenden Laut.
    Auch von weiter unten auf der Straße kamen nun Schreie. Der Faktor und wen immer er gerufen hatte, musste aus der Zisterne kommen. Dann fuhr ein Blitz in die Spitze der Stoffbörse und begann dort zu tanzen. Da wusste ich, dass das Ende unserer Pläne gekommen war.
    Wir hatten gehofft, den Mann Federo ohne seinen göttlichen Bewohner zu erledigen. Jetzt war er gewaltiger als wir alle zusammen.
    Das Dach explodierte. Ich sah, wie er auf das zerstörte Dach direkt über mir sprang. Jedes Fenster auf der Roggenstraße zerbarst in einen Splitterregen, der tödlicher als eine Pistolensalve war. Sein Lachen musste meilenweit zu hören sein.
    So viel zur Hoffnung, dachte ich und umklammerte meinen Bauch, um mein Kind vor dem Splitterregen zu schützen, der die Luft im Sonnenuntergang mit orangefarbigem Glitzern erfüllte.
    Hautlos hob mich hoch. Die Muskelstränge und Sehnen, die seinen Körper bildeten, nässten aus Tausenden kleinen Stichen. Ich versuchte, mir klar zu werden, was das bedeuten könnte, aber er trug mich so rasch von der Stoffbörse fort, dass ich kaum zum Denken kam, als er mich bereits am Eingang einer Gasse neben dem Faktor absetzte.
    Der Geist sah im Abendlicht deutlich wässrig aus. Seine augenscheinliche Festigkeit im Untergrund schien an der Oberfläche zu schwinden. Er war außerdem sehr wütend. »Und jetzt?«
    Ich versuchte, die Fäden in der Hand zu behalten. »Wir werden nie mehr eine bessere Chance haben als jetzt«, sagte ich rasch und laut während des rollenden Donners. »Wir haben mehr Verbündete, als wir je wieder zusammenbekommen, und Choybalsan ist nicht bei seiner Armee.«
    Der Faktor wandte sich langsam um und musterte seine kleine Gruppe. Mutter Eisen in ihrem dichten Umhang. Der Dünne Waldmann, von dem man mir erzählt hatte. Drei weitere Körperliche, die ich nicht kannte, aber jeder halbmenschlich und von so seltsamer Gestalt wie die ersten beiden.
    »Du willst diesen Hai mit fünf Delfinen töten?«, fragte ich.
    »Und mit deinem nackten Wunder hier.«
    Ich griff hoch und tätschelte Hautlos am Schenkel. »Er gehört nicht mir, ebenso wenig wie sie dir gehören.«
    »Ich bin dabei.« Das war der Rektifizierer, der aus einem Dutzend Wunden blutete.
    Der Tavernenwirt trat neben ihn. »Wir auch.« Ihm schlossen sich Chowdry und die braune Genettenfrau an, die ich zuvor kennengelernt hatte.
    Der Anblick hätte mein Herz erwärmen sollen, doch ich empfand hauptsächlich Zorn. Grimm brodelte in mir und stieg hoch und überschwemmte meine Vernunft. Choybalsan triumphierte über uns da oben auf dem Dach.
    »Wir werden gemeinsam auf die Jagd gehen«, sagte der Rektifizierer hinter mir.
    »Nehmt eure Speere.« Ich sah mich um. »Haben wir Pistolen oder Armbrüste? Erst wenn wir ihn von da oben herunterkriegen, haben wir eine Chance.«
    »Du kannst ihn mit Schusswaffen nicht verletzen«, stellte der Faktor fest.
    »Ich will ihn nicht verletzen. Er muss so wütend werden, dass er einen Fehler macht.« So wütend wie ich. Dummheit gegen Dummheit. »Ich habe schon gegen ihn gekämpft und ihn niedergeschlagen.« Mithilfe der Tanzmistress. »Wenn es mir gelingt, ihn genügend abzulenken von seiner pompösen Machtdemonstration, dann können ihn Hautlos, Mutter Eisen und die anderen töten.« Zitternd holte ich tief Luft. »Aber wir müssen ihn vom Dach herunterkriegen!«
    Die Genetten liefen los, um die Waffen zu holen, die ich verlangt hatte. Der Rektifizierer und die braune Frau liefen über die Roggenstraße und an den Gebäuden
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