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Der Utofant

Der Utofant

Titel: Der Utofant
Autoren: Johanna und Günter Braun
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Tatsächlich landete das Flugzeug hundert Meter neben der Bahn auf einem erdklumpigen, steinigen Feld. Ona hatte noch schnell den Motor abgeschaltet, doch durch den Aufprall zerbrach die Maschine, die Sicherheitsgurte zerrissen, und beide erhielten einen harten Stoß.
    Ona zog Didas aus den Trümmern. Sie zeigte auf die umherliegenden Wracks schon früher zerschellter Flugzeuge. Ich hatte gedacht, du würdest klüger als deine Vorgänger sein.
    Didas beharrte auf seiner angeblich richtigen Steuerung. Ich habe doch Augen im Kopf. Ich habe die Bahn genau im Visier gehabt. Ja, ja, du hast. Deine Kiste ist aber im Eimer.
    Ona dachte, immerhin hat er mir eine Eigenschaft vorgeführt, die des Starrsinns auf Leben und Tod. Nun sammle erst mal deine Knochen ein.
    Die Luft ist hier anders, sagte Didas benommen, als Ona ihn herausgezogen hatte. Aber ich habe alles richtig gemacht, von dieser Meinung weiche ich nicht ab. Sein Starrsinn ist dauerhaft, dachte sie. Ob er durch Tatsachen geheilt werden kann? Sanft sagte sie, du wirst davon abweichen, Didas, glaub es mir.
    In der Ferne erblickte sie den Wagen, der sie ins Flugzentrum bringen sollte. Er fuhr langsam und trug ein rotes Kreuz.

    Ona war nicht allzusehr erschüttert, daß die Ankunft mit einer Katastrophe einhergegangen war. Vielleicht würde sich Didas notgedrungen einsichtig zeigen und einen Versuch unternehmen, die atmosphärischen Bedingungen der Pfingstinseln zu berücksichtigen, sich ihnen gar anzupassen und schließlich mit ihnen fertig zu werden. Er enttäuschte sie bitter, als er sich wie ein Kind abschleppen ließ, in Gedanken anscheinend mit nichts anderem beschäftigt, als nachweisen zu wollen, daß er richtig aufgesetzt hatte, genau nach den Regeln. Wenn etwas falsch sei, dann sei es die Startbahn.
    Ona versuchte ihm die merkwürdigen atmosphärischen Verhältnisse zu erklären, infolge deren auf den Pfingstinseln andere Bedingungen herrschten und jedes Ding anders erschien, nicht nur anders als in Didas’ heimatlicher Metropole, sondern auch anders als Ding, und dies mehrmals und immer wieder, vergleichbar vielleicht mit dem Wasser, wo andere Brechungen des Lichts als in der Luft über dem Wasser sichtbar würden.
    Als sie seinen hilflosen Starrsinn sah, beschloß sie, Didas nicht zu ihren Eltern zu bringen und ihn vorläufig auch nicht mit ihren Freunden bekannt zu machen. Sie wollte nicht, daß man über ihn lachte oder, was sie als schlimmer empfand, heimlich über ihn herzog und ihn einen primitiven Zivilisierten nannte.
    Sie brachte ihn zunächst in einen kleinen, wetterfesten Bungalow, der mit Schaffellen ausgekleidet und mit allen Bequemlichkeiten der Pfingstinseln ausges
    tattet war.
    Didas lernte es aber nicht, einen Trinktopf sicher anzufassen, er griff immer daneben, und wenn er ihn durch Zufall erwischte, vergoß er den Inhalt. Du mußt das üben, sagte Ona, du siehst ihn anders, als du ihn bei dir zu Hause sehen würdest. Er ist aber dennoch greifbar. Du mußt eben anders greifen. Er ist ein paar Zentimeter neben dem Punkt, auf dem du ihn siehst, also mußt du danebengreifen, um ihn fassen zu können. Nein, Didas, nicht rechts, sondern links daneben. Vorhin hast du gesagt, nicht links, sondern rechts daneben.
    Was für vorhin galt, gilt für jetzt nicht mehr, jetzt weht ein anderer Wind, das Licht fällt anders, wir haben andere Brechungen, wenn du so willst, obwohl der Vergleich mit den Brechungen im Wasser nicht absolut stimmt.
    Nach den Verhältnissen von vorhin habe ich aber richtig gegriffen.
    Ja, nach denen von vorhin; aber was nützt dir das jetzt, wo es darauf ankommt,
nach den jetzigen richtig zu greifen.
Nach den gestrigen war es aber richtig, nicht wahr?
Wenn du darauf solchen Wert legst, bitte, dann war es richtig.
Also war es richtig?
    Nein, heute war es nicht richtig, du siehst es ja, die Schafsmilch fließt über den Tisch. Sie fürchtete, er würde damit noch lange nicht klarkommen, daß die Lichtverhältnisse täglich anders sein sollten und daß er die Gegenstände jeden Tag anders zu sehen hätte.
    Wie anders, fragte er verzweifelt, nach welchen Regeln muß ich abwechselnd einen Tag rechts und den anderen links danebengreifen? Nenne mir die Regeln. Ich werde sie mir einprägen.
    Ona sagte geduldig, manchmal mußt du die ganze Woche lang links greifen, aber die Entfernung ist jedesmal anders, du mußt das fühlen, du mußt dich da einfühlen, Regeln kann ich dir keine nennen.
    Habt ihr Pfingstleute euch denn nie bemüht,
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