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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis
Autoren: Bernd Ulbrich
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hielt ihn mit beiden Händen vor den Körper. »Diesen Unsinn«, sprach McLaughams Kopf, »erlaubt mir die Zeitgrube.«
Es war ein gespenstischer Anblick. Der Kopf schien durch nichts mit dem Körper verbunden. Selbst das Bewußtsein, daß der Alte Schabernack trieb, verringerte nicht ihr Entsetzen.
»Doktor McLaugham«, sagte Sophia streng, »Sie haben mir vorhin versprochen, uns nicht mehr zu erschrecken.«
»O ja, verzeihen Sie«, murmelte der Kopf.
McLaugham hob die Arme und setzte ihn sich wieder zwischen die Schultern, wobei er sich ein spöttisches Kichern nicht verkneifen konnte.
Sie atmeten auf. Selbst Volmar war bleich geworden. Keiner der Freunde konnte sich erinnern, ihn jemals derart verstört gesehen zu haben.
McLaughams Heiterkeit löste die Erstarrung. Volmar schaute verwirrt um sich und sagte: »Erzählen Sie weiter, lieber Doktor. Wir haben nicht mehr viel Zeit.« Er warf einen kurzen Blick auf die Uhr. »Es ist bereits nach fünf.«
McLaugham räusperte sich und fuhr fort: »Brooke und ich bereiteten die Attraktion gut vor. Mein Partner ließ eine gefälschte Schloßchronik anfertigen, der zufolge der Spuk das Ergebnis einer tausend Jahre zurückliegenden Untat sein sollte.
Die Aktion lief mit Erfolg an. Innerhalb einiger Wochen hatten wir ein ausverkauftes Haus. Es gab noch genug Leute, die sich echten Grusel leisten konnten.
Von meinem Anteil am Erlös konnte ich meine bescheidenen Bedürfnisse befriedigen. Mehr wollte ich nicht. Doch Brooke…
Wir spukten abwechselnd. Eine Nacht er, eine ich. Manchmal machten sogar unsere Frauen mit, dann gab es meist besonderen Spaß. Unser gespenstisches Repertoire erlaubte uns märchenhaften Blödsinn. Mehr als einmal schoß ein nervöser Gast auf uns, Messer fuhren uns durch den zeitlosen Leib, Schwerter hackten uns in Stücke.
Doch der Zeittunnel schützte uns, nichts Materielles konnte unser Energie-Zeit-Feld durchdringen, solange wir nicht heraustraten, um real zu existieren. Was die schaudernden Gäste sahen, war lediglich unsere Erscheinung, eine tausendstel Sekunde bevor oder nachdem wir in der Gegenwart eintrafen.« Offenbar amüsierten ihn die verständnislosen Mienen seiner Zuhörer. Er kicherte.
»Auf Glamis Castle geschahen unerklärliche Dinge. Menschen gingen durch Mauern, leere Rüstungen wandelten durch die nächtlichen Gänge und hielten den peinlichsten Überprüfungen stand, kein Motor, keine Fernsteuerung, nichts. Die Zeit für Aberglauben war ohnehin günstig.«
»Das ist Betrug«, bemerkte Lewis.
»Lassen Sie bitte die fatale wirtschaftliche Lage als Entschuldigung gelten.« Der Alte bat mit einem Lächeln um Verzeihung. »Außerdem traf es keine Armen.«
»Gab es keine Möglichkeit, seinen Lebensunterhalt auf ehrliche Art und Weise zu verdienen?« Randaiks Entrüstung galt mehr der Unausweichlichkeit der Situation als dem Tatbestand selbst.
»Wie stellen Sie sich das vor?« McLaughams Stimme wurde scharf vor Trotz und Bitterkeit. »Wie sollte ich in einer Gesellschaft, die vom Betrug lebte, ehrlich bleiben? Mir wäre nur eins geblieben: ehrlich zu verhungern!« Seine Augen blickten starr; wie bei einem Tier, das sich wehrt, wurden seine Zähne sichtbar. »Ihnen bleiben solche Konflikte erspart. Sie verstehen sie nicht mehr. Vielleicht schade«, fügte er leise hinzu.
McLaugham konzentrierte sich, um den verlorenen Faden wiederzufinden. »Glamis Castle kam in den Ruf, ein echtes Gespenst zu beherbergen. Wir konnten mit dem Erfolg zufrieden sein. Doch eines Nachts, ich war an der Reihe zu spuken, ließ Brooke seine Falle zuschnappen. Er hatte es ja einfach. Ich selbst wies ihn einmal auf die Möglichkeit hin. Er erhöhte das Basispotential über den Stabilitätswert hinaus: Der Tunnel kippte um. Ich war eingeschlossen in dem gläsernen Berg der Zeit. Innerhalb des Ereigniskegels, der sich, räumlich gesehen, über die nähere Umgebung des Schlosses erstreckt, kann ich mich frei bewegen. Aber zeitlich gesehen, bin ich überall und nirgends. Ich bin ein Opfer meines Genies.«
»Sie sind das Opfer eines Wahnsinnigen«, sagte Gonzales. »Unvorstellbar, daß ein normaler Mensch so etwas tun kann.«
Lewis winkte ab. »Himmel, bist du naiv. Als wären die Menschen Engel.« Ein müder Zug lag um seinen Mund. »Ich bin fünfzehn Jahre am Institut, das reicht.«
Randaik starrte nachdenklich auf den Fußboden, dann hob er den Kopf. »Wir sollten nicht so tun, als wüßten wir nicht, worum es geht. Sein Fall ist wahrscheinlich typisch für seine
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