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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis
Autoren: Bernd Ulbrich
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lächelte. »Ich danke euch. Es ist wirklich nicht gefährlich.«
Voller Sorge und Mißtrauen blickte Randaik sie an. »Was hast du vor?«
Sophia zögerte, sagte dann: »Es ist eigenartig, ihr werdet es nicht verstehen. Verzeiht…«
Randaik nahm sie bei den Schultern. »Die Geschichte, Sophia! Erzähl uns seine Geschichte!«
Einen Moment lehnte sich Sophia an ihn, dann wandte sie sich wieder den anderen zu. »Laßt euch die Geschichte von ihm selbst erzählen. Vielleicht ist es sogar besser so.«
Sie verließen den Raum, gingen durch endlose, fahlgraue Stollen.
Sophia öffnete eine Tür, die ihnen vordem verschlossen geblieben war, da sie den Code nicht kannten. Über eine schmale Treppe gelangten sie ins dritte unterirdische Stockwerk. Es war das letzte und tiefste.
Sie befanden sich direkt in der Kanalisation. In der Mitte der ovalen Röhre floß, von den Filteranlagen des Hotels kommend, ein klarer Bach zum nächstgelegenen offenen Gewässer. Sie brauchten sich nicht niederzubeugen, das Gewölbe war hoch genug. In weiten Abständen erhellten Leuchtringe die Umgebung.
Randaik ging dicht hinter Sophia. Er hatte die Orientierung verloren. In welche Himmelsrichtung bewegten sie sich?
Gewärtig, jeden Moment einer tödlichen Gefahr zu begegnen, starrte er voraus in die Dämmerung.
Sie mochten etwa zweihundert Meter zurückgelegt haben, als Sophia vor einem schmalen Riß in der Wand hielt. Sie zwängte sich als erste hindurch, die Männer folgten ihr. Als einziger hatte Volmar Mühe, hindurchzugelangen. Doch schließlich konnten sie den Marsch auf der anderen Seite fortsetzen.
Über ihnen schloß sich der gemauerte Gang zu einer flachen Wölbung. Vorsintflutliche Glühbirnen verbreiteten ein fahles Gelb. Hin und wieder unterbrachen Stützpfeiler die geschlossene Front des Gemäuers und bildeten Nischen, aus deren Dunkel sie unsichtbare Augen anzustarren schienen.
Die Luft war dumpf und feucht. Aus den Fugen zwischen den mürben Ziegeln rieselte Kalk.
Niemand sprach ein Wort. Ihre Füße traten fast geräuschlos in den Kalkstaub. Hin und wieder raschelte ein Kleidungsstück.
Der Gang endete in einem niedrigen, quadratischen Raum, dessen Zentrum ein gemauerter Pfeiler bildete.
Randaik tastete über die Steine der Decke. Feuchter Kalkstaub blieb an seinen Fingern haften. Das Gewölbe mußte uralt sein. Sollte es zu dem abgebrannten Schloß gehört haben?
Sophia wartete auf der anderen Seite des Pfeilers vor einer eisernen Tür.
»Diese Gänge gehören zum ehemaligen Glamis Castle. Das ist alles, was davon übrigblieb.« Sie wandte sich um und öffnete die schwere Tür.
Sie betraten eine Wendeltreppe, die an der Mauer eines runden Schachtes nach unten führte. Die Feldsteine glänzten vor Feuchtigkeit. Etwa einen Meter über dem Boden waren in regelmäßigen Abständen eiserne Ringe in die Wand eingelassen. Sie befanden sich zweifellos in einem ehemaligen Verlies.
»Kein sehr angenehmer Gedanke«, flüsterte Volmar. »Wieviel Menschen mögen hier bei lebendigem Leib verrottet sein?«
»Es gibt Schlimmeres.«
Die Männer sahen Sophia erstaunt an.
Sie achtete nicht darauf und ergriff einen der rostigen Ringe.
Die untersten Stufen der Treppe gerieten in Bewegung und schoben sich geräuschlos in die Wand.
Ein heller, freundlicher Gang tat sich auf, ein erfrischender Luftzug umwehte sie. Erleichtert, als hätten sie ein nicht enden wollendes Labyrinth überwunden, atmeten sie auf.
Am Ende des kurzen Ganges traten sie in einen mit uralten Möbeln ausgestatteten Raum. Bett, Tisch, Sessel waren von geschmackloser Zweckmäßigkeit, eine komfortable Zelle. Sollte hier etwa ein Mensch leben?
Durch eine zweite Tür trat der weißbärtige Alte ein. Er musterte sie überrascht, doch nicht unfreundlich.
Sophia stellte die Anwesenden einander vor.
Dr. McLaugham neigte zur Begrüßung den Kopf. Dann fragte er, ob er sie mit echtem schottischem Whisky bewirten dürfe. »Ich entwende ihn hin und wieder aus dem Lager des Hotels.«
Verlegen tranken die fünf Männer ihrem seltsamen Gegenüber zu. Der Alte trug sein grünes, bis zu den Knien reichendes gegürtetes Obergewand, dazu enge, graue Beinkleider sowie halbhohe, weiche Jägerstiefel. So war er Randaik und Sophia im Keller begegnet. Doch erst jetzt bemerkte Randaik, wie zerschlissen die Kleidung war. Nichts Gespenstisches haftete McLaugham mehr an. Er war nur noch ein Greis mit alten, ungewöhnlichen Kleidern.
McLaugham bat sie, Platz zu nehmen. Er selbst setzte sich in einen
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