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Feuersteine

Feuersteine

Titel: Feuersteine
Autoren: Chris P. Rolls
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    Ein hellbraunes Auge, gerahmt von langen Wimpern. Rostigrotes Braun außen, ein weiches, helleres Braun in der Mitte. Linien, ganz zart und geschwungen. Eine Feder, ein Flügel, der sich im Wind bewegt.
    Aischa betrachtete den Anhänger in ihrer Hand. Im Prinzip ein ganz einfacher Stein, ein Feuerstein, wie sie wohl wusste. Ein Stein, der vor Jahrmillionen aus Kieselsäureablagerungen entstanden, in einem prähistorischen Ozean gewachsen war. In ihm eingeschlossen wurden dabei Fossilien und andere verborgene Schätze.
    In diesem, den sie seit vier Jahren ständig Tag wie Nacht um den Hals trug, waren es braune Strukturen, vielleicht prähistorische Mikroorganismen, die, je nachdem wie man ihn hielt, das Bild eines Auges oder auch einer Schwinge zeigten.
    Er war ihr kostbarster Besitz, wenngleich es sich nicht um einen Edel-, sondern nur um einen gewöhnlichen Feuerstein handelte, den man oft am Wegesrand aufsammeln konnte.
    Dieser war besonders und das lag nicht nur daran, dass er zu einem Schmuckstück verarbeitet, in eine dünne Scheibe geschnitten und sorgfältig poliert worden war. Er hatte eine Bedeutung, trug eine spezielle Erinnerung in sich: die an ihre Augen.
    Sie waren von beinahe der gleichen Farbe gewesen. Ein wunderschönes Braun, etwas rötlich um die Iris herum. Fein geschwungene Wimpern und Augenbrauen. Aischa hatte sich erst viel später gefragt, warum sie sich daran so gut erinnern konnte. Gewöhnlicherweise bemerkte sie die Augenfarbe ihres Gegenüber nicht. Aischa begegnete täglich vielen Menschen, achtete bei diesen jedoch eher auf deren Körpersprache. Augenfarben hatten keine Bedeutung, gaben ihr keinen Hinweis darauf, wie sie jemanden einzuschätzen hatte. Haltung, Gestik, Mimik; sie hatte mehrere Seminare besucht, um darin mehr lesen zu können.
    Eine nützliche Eigenschaft in ihrem Berufsleben. Es hatte ihrer Karriere gut getan, die Konkurrenz wie ihre Geschäftspartner und Kunden zu durchschauen. Es hatte ihr Erfolg beschert und das war, was für sie zählte.
    Seufzend strich sie über den glatten Stein. Er war warm, wie ihre Haut, auf der er sonst lag. Weich schmiegte er sich in ihre Hand.
    Der zarte Duft von gebratenen Äpfeln und ein Hauch von Zimt lagen in der Luft. Es roch nach Tannenzweigen, Bratwürstchen und natürlich Glühwein. Aischa seufzte erneut, schloss die Hand noch einmal um den Stein und ließ ihn mitsamt dem Lederband zurück an seinen Platz unter ihrer warmen Kleidung gleiten.
    Es war kalt an diesem Dezembertag. Frost hatte in der letzten Nacht ihr Auto mit Raureif überzogen und die übrige Welt mit seinen Kristallen verziert. Ein harter, schneereicher Winter war angekündigt worden. Wie der letzte.
    Sie hob den Blick und ließ ihn an den verschiedenen Verkaufsständen und Buden dieses Weihnachtsmarktes entlanggleiten. Sie war auch letztes Jahr hier gewesen. Dieser beschauliche Markt zog vorwiegend kleinere Handwerker an. Selbstgemachte Marmeladen, Seifen, Kerzen konkurrierten neben Kunsthandwerk aus Holz, Stoff, Wolle und Metall.
    Aischa liebte es, durch die Reihen zu schlendern. Von jedem Markt brachte sie Kleinigkeiten mit, stöberte in den verschiedenen Auslagen nach besonderen Kleinodien. Der Dezember und oftmals auch schon der November waren für sie die schönste Zeit des Jahres. Wann immer Aischa es einrichten konnte, verbrachte sie ihre Zeit auf den verschiedenen vorweihnachtlichen Märkten. Dass sie oftmals eine weite Anfahrt hatte, störte sie nicht. Aischa war ohnehin ständig unterwegs, flog zweimal unter der Woche von Hamburg nach Frankfurt in die Hauptzentrale ihrer Firma. Was machten da ein paar Stunden im Auto aus?
    Neben ihr freute sich ein Kind über einen knallroten, sehr klebrig wirkenden Liebesapfel und biss mit verzückt wirkendem Gesicht in die Leckerei. Aischa lächelte und strich sich eine Strähne ihres langen, schwarzen Haares zurück. Männer warfen ihr oft bewundernde, durchaus flirtende Blicke zu. Sie wusste, dass sie mit ihrem leicht orientalisch wirkenden Gesicht, den tiefbraunen Augen, den schwarzen Locken, die sie privat gerne offen trug, und ihrer schlanken Figur auf viele von ihnen attraktiv wirkte.
    Auch Frank hatte ihren schönen Körper zu schätzen gewusst. Ein Hauch Wehmut mischte sich in das nur zu bekannte Gefühl von Wut, welches sie bei dem Gedanken an ihn immer noch überkam.
    Es war keine schlechte Zeit gewesen, jene gemeinsamen fünf Jahre. Sie hatten sich schon im Studium kennengelernt und über ein gemeinsames
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