Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis
Autoren: Bernd Ulbrich
Vom Netzwerk:
gewesen. Oder doch?
Die Plattform hielt längst auf dem Grund des Schachtes. Sie verharrten wie gelähmt, kaum wagten sie zu atmen.
»Verdammt«, sagte Volmar endlich, »wir können hier nicht endlos warten. Wir müssen Sophia finden.«
»Vielleicht hatte sie recht«, flüsterte Randaik.
Sie verließen die Gravitationsplatte und gingen, eng beieinander, durch die öden Gänge. Auf ihre leisen Rufe antwortete niemand.
Sie beschlossen, in zwei getrennten Gruppen die Kelleretagen zu durchsuchen. Eine halbe Stunde später trafen sie wieder zusammen. Es war ihnen nichts Auffälliges mehr begegnet, die Aggregate arbeiteten ruhig.
Randaik sprach erregt. »Was soll werden, wenn Sophia etwas zugestoßen ist? Es ist meine Schuld.«
»Unsinn!« riefen die Freunde einstimmig. »Wir alle sind schuld, nicht du allein!«
Randaik meinte, sie noch nie so erlebt zu haben. Wie lange war es her, daß er solche Freude empfunden hatte. In dieser Nacht schien alles so neu und ungewohnt zu sein, daß er nur schwerfällig damit umzugehen lernte. Waren sie sich nicht in dieser Nacht zum ersten Mal begegnet? War die Fremdheit, die ihn verunsicherte, die er sogar gegen sich selbst empfand, nicht wie ein Licht, das mit seinem Schein Vergangenes erhellte?
Es spülte wie eine Flut über ihn hinweg, Sophias ungewohnte Nähe, ihre Gedanken, ihre versteckte Zärtlichkeit.
Was für ein Geheimnis hatte sie gemeint? Hatte sie etwas geahnt, was ihm verborgen geblieben war? Er beneidete sie, bis er daraufkam, daß er keinen Grund hatte. Er mußte über sich lächeln.
Lewis blinzelte ins trübe Licht. Er lehnte mit dem Rücken gegen den Nuklearblock der Hausbatterie, die Hände in den Taschen des Morgenmantels vergraben, die Beine schlaff und leicht eingeknickt. Mit heiserer Stimme sagte er: »Wir sollten das Institut verständigen oder wenigstens die Grünen Kyberneten.«
»Wie denn?« fragte Gonzales gereizt. »Das Haus ist hermetisch abgeriegelt.«
»Sophia in der Gewalt eines Verrückten. Beide brauchten Hilfe. Nur die Leute des Instituts hätten die Mittel.« Er hob die Schultern. »Ich befürchte das Schlimmste. Wenigstens die Grünen Kyberneten…«, wiederholte er.
Gonzales und Volmar blickten Lewis müde an. Ihre Augen waren rot umrändert. Vielleicht hatte er recht, vielleicht ging es um Sophias Leben.
Randaik verharrte grübelnd. Nur Troels blickte unruhig um sich, als suche er noch immer nach einem geheimnisvollen Weg, der sich überraschend vor ihnen auftun würde, um sie zu Sophia zu führen. Mitten in der Bewegung hielt er inne. Er packte Randaiks Arm.
Aus der gegenüberliegenden Betonwand ragte eine schmale, gebräunte Hand. Als wäre sie Spiegelbild in einem schnellströmenden Gewässer, regte sie sich in einer wogenden, unnatürlichen Bewegung.
Wie aus einem Nebelschleier trat Sophia aus der Wand. Einen Moment noch schien ein unsichtbares Medium über sie dahinzufließen, dann ging sie lächelnd auf die Freunde zu. »Warum starrt ihr mich so an?«
Ihr Erscheinen war so unvermutet, daß sie fürchteten, das leiseste Geräusch könnte es wieder rückgängig machen. Volmar berührte sie an der Schulter.
Sophia lachte auf. »Glaubt ihr etwa, es wäre mein Geist?«
Ihre Heiterkeit übertrug sich auf die Männer. Sie schlossen sie in die Arme, küßten sie, jeder auf seine Weise, zärtlich, liebevoll. Randaik umarmte sie wie etwas Langersehntes. Unwillig gab er der Forderung nach und überließ sie der Allgemeinheit.
Lewis seufzte. »Gott sei Dank, daß wir dich wiederhaben. Jetzt werden wir Licht in die Angelegenheit bringen.«
»Wir wollen nichts übereilen«, sagte Randaik. »Laß sie erzählen. Du hast doch etwas zu erzählen, nicht wahr?« Er blickte sie erwartungsvoll an.
Die Männer bildeten einen schützenden Kreis um Sophia. Gonzales schlug vor, sich irrt Zimmer der Hotelchefin aufzuwärmen. Doch Sophia schüttelte den Kopf.
»Ich kann nicht mit euch kommen.«
»Wieso?« fragte Gonzales. »Wir haben hier nichts verloren.«
»Komm, Sophia. Wir sind gespannt, was du uns zu berichten hast.«
»Ich bin nur gekommen, euch zu sagen, daß ihr euch nicht zu sorgen braucht. Ich muß wieder zu ihm. Er braucht meine Hilfe.«
»Meinst du den Alten?« fragte Gonzales. »Hast du ihn entdeckt? Wo steckt er?«
»Wenn es gefährlich für dich ist«, sagte Volmar, »lassen wir dich nicht wieder gehen.«
Schon einmal in dieser Nacht hatte Randaik den Moment des Zauderns verflucht. Hastig rief er: »Wir begleiten dich, wir kommen alle mit.«
Sophia
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher