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Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser

Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser

Titel: Erdzauber 02 - Die Erbin von Wasser
Autoren: Patricia A. McKillip
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Kap.1
     
    Im Frühjahr geschahen im Haus des Königs von An unabänderlich drei Dinge: Die erste Weinlieferung aus Herun traf ein; die Edelleute der Drei Teile von An fanden sich zur Ratsversammlung zusammen; und es gab einen Streit. Im Frühling des Jahres, das dem ge-heimnisvollen Verschwinden des Fürsten von Hed folgte, dessen Spur sich, begleitet vom Harfner des Erhabenen, am Isig-Paß verloren hatte wie eine Nebelwolke, erwachte das große Haus mit den sieben Toren und den sieben weißen Türmen wie ein knospender Baum aus einem langen, bitteren Winter der Stummheit und des Schmerzes. Der einziehende Lenz stäubte die Gärten mit zartem Grün, malte warme Lichtmuster auf die kalten Steinböden und weckte tief im Herzen von An eine drängende Rastlosigkeit, die empor-quoll wie der Saft junger Bäume. Rendel von An, die in Cyones Garten stand, den seit ihrem Tod vor sechs Monaten keiner mehr betreten hatte, meinte, selbst die Toten von An, deren Gebeine sich mit den Wurzeln der Gräser verflochten hatten, müßten in den Gräbern vor Ungeduld mit den Fin-gern trommeln.
    Eine ganze Weile stand sie nachdenklich im Garten, dann ließ sie die Wildnis von Unkräutern und verdorrten Pflanzen, die den Winter nicht überlebt hatten, hinter sich und kehrte in den Königssaal zurück, dessen Türen dem Sonnenschein weit geöffnet waren. Unter dem wachsamen Auge von Mathoms Haushofmeister schüttelten drinnen Diener die Falten aus den Bannern der Edelleute und hängten sie an den hohen Deckenbalken auf. Jeden Tag konnten die Ritter eintreffen, und im ganzen Haus war man mit den Vorbereitungen für ihren Empfang beschäftigt. Schon waren ihr die Geschenke der Herren überbracht worden: ein milchweißer Falke, der auf den wilden
    Höhen von Osterland seine Kreise gezogen hatte, vom Herrn von Hel; eine Brosche aus feinstem Gold von Map Hwillion, der eigentlich zu arm war, solche Kostbarkeiten zu verschenken; eine Flöte aus edlem Holz, mit Silber eingelegt, von einem Unbekannten, der seinen Namen nicht genannt hatte; das machte Rendel Kopfzerbrechen, da der Geber offensichtlich genau gewußt hatte, was ihr gefallen würde.
    Sie sah zu, wie das Banner von Hel entrollt wurde: der mächtige Kopf eines Keilers, dessen Hauer wie schwarze Monde leuchteten, auf eichengrünem Fell; schwankend glitt der Keiler aufwärts, um aus seinen kleinen feurigen Augen den weißen Saal zu überblicken. Mit verschränkten Armen sah sie zu ihm auf, dann drehte sie sich plötzlich um und machte sich auf die Suche nach ihrem Vater.
    Sie fand ihn mit dem Landerben in seinen Gemächern. Die Stimmen der beiden Männer waren leise, und sie verstummten, als Rendel eintrat, doch sie sah die Röte in Duacs Wangen und wußte, daß sie gestritten hatten. Die blassen Striche seiner Brauen und die meerfarbenen Augen waren das Erbe von Ylons wildem Blut, doch die Langmut, die er Mathom zeigte, wenn allen anderen längst der Geduldsfaden gerissen war, war schon sprichwörtlich. Sie fragte sich, was Mathom wohl gesagt hatte, um ihn aus der Ruhe zu bringen.
    Der König richtete das finstere Auge einer Krähe auf sie; höflich, denn morgens war seine Stimmung unberechenbar, sagte sie: »Ich würde gern für zwei Wochen Mara Croeg in Aum besuchen, wenn du es gestattest. Ich könnte heut noch packen und morgen abreisen. Ich war den ganzen Winter in Anuin und ich hab’ das Gefühl - ich muß einfach weg.«
    Keine Regung flackerte in seinen Augen. Er sagte einfach: »Nein«, und drehte sich um, um seinen Weinbecher zu nehmen.
    Zornig starrte sie auf seinen Rücken und warf alle Höflichkeit über Bord.
    »Ich werde jedenfalls nicht hierbleiben und zusehen, wie um mich gefeilscht wird, als wäre ich eine preisgekrönte Kuh aus Aum. Weißt du, wer mir ein Geschenk gesandt hat? Map Hwillion. Gestern hat er mich noch ausgelacht, weil ich vom Birnbaum gefallen bin, und jetzt, wo ihm die ersten Bartstoppeln sprießen und er ein achthundert Jahre altes Haus mit einem Birkendach hat, bildet er sich ein, mich heiraten zu wollen. Du warst es doch, der mich dem Fürsten von Hed versprochen hat; kannst du denn diesem ganzen Getue nicht ein Ende machen? Lieber höre ich mir das Grunzen und Brüllen der Schweineherden von Hel bei einem Gewitter an, als das Gezeter der Herren deines Rats darüber, was du mit mir anfangen sollst.«
    »Ja, ich auch«, murmelte Duac.
    Mathom musterte sie beide stumm. Sein Haar war scheinbar über Nacht eisengrau geworden; der Schmerz über Cyones
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