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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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Es begann damit, dass mich mein Verleger bei einem Mittagessen aufforderte, mal etwas Spannendes, Unterhaltsames zu schreiben – «einen Krimi oder so öppis». Ich musste ihn auf eine Weise angeschaut haben, dass er sich genötigt sah hinzuzufügen: «Ich will damit ja nicht sagen, deine bisherigen Erzählungen seien langweilig.» Aber im Grunde genommen war es genau das, was er damit sagen wollte.
    Mein Verleger war noch nicht sehr lang im Literaturbetrieb. Welcher Tätigkeit er zuvor nachgegangen war, hatte mich nie wirklich interessiert. Er liess mal durchblicken, mit Immobilien gehandelt zu haben, was ihm aber auf die Dauer verleidet sei. In der Zeit musste er ein kleines Vermögen angehäuft haben.
    Guido Brechbühl war nicht gerade der Typ Mensch, den man mit Büchern in Verbindung gebracht hätte. Von seiner Statur her, gross und kräftig, hätte er sich gut in einer Sicherheitsfirma gemacht. Er war Mitte vierzig, immer braungebrannt und hatte eine närrische Freude an goldenen Gegenständen. Um den Hals und am rechten Armgelenk trug er eine solche Kette, seine Uhr war vergoldet und das Feuerzeug, mit dem er mir die Zigarette ansteckte. Er interessierte sich für den Segelsport, kostspielige Autos und die Raumfahrt. In seiner Freizeit spielte er Tennis und ging mit Freunden in der Karibik segeln. Wobei Freizeit in Bezug auf Brechbühl, der in erster Linie andere für sich arbeiten liess, vielleicht nicht das richtige Wort ist. Sein Verlag brachte im Jahr an die fünfzehn Bücher heraus. Dafür sorgte der Verlagsleiter, eine Produktionsleiterin, die zugleich für das Layout zuständig war, und eine Handvoll externer Lektoren. Um die Buchhaltung kümmerte sich Brechbühls Treuhänder.
    Ich hatte Brechbühl noch nie mit einem Buch gesehen, auch Zeitungen rührte er nicht an. Stattdessen war er mit der Tastatur seines Mobiltelefons beschäftigt, als ich mit viertelstündiger Verspätung das vereinbarte Restaurant betrat. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er die Werke, die er herausgab, je las.
    Seine Bekanntschaft war alles andere als inspirierend. Aber sie trug immerhin dazu bei, dass meine Arbeit veröffentlicht wurde.
    Seine Frau hingegen war eine leidenschaftliche Leserin. Sie hatte Germanistik und einige Semester Anglistik studiert und war mit dem Verlagsleiter für die künstlerische Ausrichtung verantwortlich. Ich glaube, Brechbühl wollte ihr einen Gefallen tun, als er damals den Verlag gründete.
    Dorothea kannte alles, was in den letzten zwanzig Jahren an interessanter Literatur erschienen war. Ihr Leben drehte sich ausschliesslich um Bücher. Ich hatte manchmal den Eindruck, dass sie darüber jeden Realitätssinn verloren hatte. Ihre Empfehlungen aber waren höchstes Leseglück. Bücher, die einem den Schlaf raubten.
    Es schmeichelt mir noch heute, dass sie es war, die auf mich aufmerksam geworden war. Sie hatte mich vor einigen Jahren an einem Literaturfest lesen gehört, in dessen Vorprogramm ich nur Dank eines glücklichen Umstandes gerückt war. Ich durfte an Stelle einer Kollegin lesen, deren Erstling, soeben bei der Frankfurter Verlagsanstalt erschienen, ein durchschlagender Erfolg war, weshalb ihr die Veranstalter einen Platz im Abendprogramm einräumten.
    Meine zwei bisherigen Romane waren von der Kritik zwar mehrheitlich wohlwollend aufgenommen worden; kaufen gingen die Leute sie trotzdem nicht. Auch die anderen Autoren – einige Lyriker, ein paar schwer verdauliche Prosaisten und ein publikumsbeschimpfender Slammer – waren nicht gerade mehrheitsfähig. Brechbühl schien aus irgendwelchen Gründen einen Publikumserfolg zu benötigen – wahrscheinlich aus Eitelkeit.
    Ich hatte keine Ahnung, wie man einen Krimi schreibt. Krimis interessierten mich nicht. Ich las keine und wollte auch keine schreiben. Ich gab Brechbühl zu verstehen, dass ich mich gegen jede Einschränkung meiner künstlerischen Freiheit verwahre. Ich würde beim Schreiben ästhetische, vielleicht noch ethische Gesichtspunkte berücksichtigen und keinesfalls irgendwelche profanen Marktanalysen, ereiferte ich mich.
    Ich wusste, solange seine Frau im Verlag die Fäden zog, hatte ich nichts zu befürchten. Brechbühl wusste das auch und liess es dabei bewenden, nochmals auf die Verkaufszahlen hinzuweisen, die kaum einen Viertel der Auflage rechtfertigten. Ich hatte damals gegen seinen Willen auf fünftausend Exemplaren bestanden, weil alles darunter, so argumentierte ich, vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Markt
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