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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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sollte.
    Ich sah mir die Couverts an. Sie waren mit einer alten Schreibmaschine adressiert, ein Absender fehlte. Slavkovi ć wohnte in einem ruhigen Aussenquartier, wo sich die Vermögenden ihre Einfamilienhäuser hinstellten. Den Poststempeln entnahm ich, dass sie im Abstand von wenigen Tagen bei der Hauptpost in Emmenbrücke aufgegeben worden waren. Ich öffnete den ersten Umschlag. Die Zeilen waren am Computer geschrieben worden, trotzdem konnte ich kein Wort lesen. Der Text war in kyrillischer Schrift verfasst. Ich sah auch die anderen Briefe durch. Dasselbe Bild. Ich legte sie hin und blickte auf.
    «Was steht da drin?»
    «Dass sie mich töten wollen!»
    «Wer?»
    «Wenn ich das wüsste, wäre ich nicht mit Ihnen hier!»
    Slavkovi ć steckte sich eine weitere Zigarette an; ich folgte seinem Beispiel. Er gab mir Feuer.
    «Warum gehen Sie nicht zur Polizei?»
    Er sah mich an, als wäre ich nicht ganz normal. «Polizei nicht gut. Machen immer Probleme. Sind alles Rassisten, verstehen Sie?»
    Ich nickte. «Haben Sie einen Verdacht?»
    Er stiess den Rauch durch die Nase aus. «Schwierig. Ich habe viele Neider hier, weil ich viel Erfolg habe.»
    «Aber es müsste einer Ihrer Landsleute sein, der Ihre Sprache spricht.»
    «Sicher! Vielleicht ein Türkenschwein.»
    «Wie bitte?»
    «Sie wissen, was ich meine: Ein Moslem – Kosovare, oder ein Bosniake.»
    «Wie kommen Sie darauf?»
    «Weil sie die Serben hassen, besonders, wenn sie Erfolg haben!»
    «Und Sie glauben, weil Sie ein erfolgreiches Reisebüro führen, wollen diese Leute Sie einschüchtern?»
    «Warum wissen Sie das vom Reisebüro?»
    Ich blies den Rauch gemächlich in den Lichtkegel. «Nachforschungen …»
    Slavkovi ć verzog sein feistes Gesicht zu so was wie einem Grinsen. «Sie sind gut. Sie sind der richtige Mann für mich.» Erneut griff er in seinen Sakko und holte ein weiteres Couvert hervor. Er legte es auf den Tisch.
    «Sie finden heraus, wer die Briefe geschrieben hat. Wenn Sie wissen wer, Sie bekommen den Rest von dem Geld. Hier meine Telefonnummer.» Er notierte eine Zahlenreihe auf das Couvert und schob es mir zu. Dann gab er seiner Stimme einen bedrohlichen Unterton: «Aber wenn Sie den Schweinehund nicht finden, geben Sie alles Geld zurück!» Er drückte mir die Hand und stand auf.
    Ich war überrascht, wie klein er war. Er war beinahe breiter als hoch. Er klapste mir auf die rechte Schulter und verliess den Raum. Dabei gab er der Barfrau ein Zeichen. Sie nickte und notierte sich was.
    Ich ging mit der halbvollen Tulpe an die Theke und sah mich um. Das Paar war verschwunden. Sonst waren keine neue Gäste gekommen.
    Ich fragte die Frau, die in einer Illustrierten blätterte, ob es hier dienstags immer so ruhig sei.
    «Die Leute kommen erst später, so gegen neun Uhr», sagte sie, ohne von ihrem bunten Magazin aufzusehen.
    Ich trank aus und wollte bezahlen.
    Das gehe aufs Haus, sagte sie.
    «Sie wollen sagen, auf Herrn Slavkovi ć s Rechnung?»
    Sie runzelte die Stirn. «Mhm, schon möglich …»
    Ich verliess das «Bahnhöfli» direkt durch die Tür auf der Hinterseite des Gebäudes.
    Zu Hause öffnete ich das Couvert. Zweitausend Franken war Slavkovi ć die Identität des anonymen Verfassers wert.
    Ich kannte Adnan aus der Zeit, als ich noch Sport trieb. Wir spielten zusammen beim FC von Moos. Adnan war unser Starstürmer, ich wurde in der Verteidigung geduldet. Nach dem Training gingen wir jeweils in den «Adler», die ganze Gruppe. Ich gehörte mit Adnan zusammen zum harten Kern. Was ich auf dem Platz nicht zu leisten vermochte, machte ich hier mit meinen Sprüchen wett. Das konnte auch mal in eine Prügelei ausarten, etwa wenn wir den Stammtisch provozierten. Aber meistens waren die zu sehr damit beschäftigt, miteinander zu zanken und gegen Ausländer, den Staat und was auch immer zu wettern. Johnny, der Wirt mit dem unerschöpflichen Fundus an Witzen, die aber nur komisch waren, wenn er sie zum Besten gab, wusste jedenfalls genau, an welchem Wochentag wir Training hatten. Er musste dann öfter, als ihm lieb war, von seinem Platz aufstehen, um den Kellnerinnen zu Hilfe zu eilen, die selten genug die Probezeit durchielten. Nachdem nämlich Ulla, seine langjährige Kellnerin mit den Eigenschaften einer Dompteuse, aus ungeklärten Gründen gekündigt hatte, fand er nie mehr einen vollwertigen Ersatz. Ullas Verschwinden hatte gleichsam den Niedergang des verrufenen Spuntens mit seinen berüchtigten Hardrock-Konzerten hinten im Saal
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