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Durst - Roman

Durst - Roman

Titel: Durst - Roman
Autoren: Limmat-Verlag <Zürich>
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eingeleitet.
    Nach der Matura versuchte sich Adnan im Profifussball. Er wechselte vom FC Emmenbrücke zu Kriens, wurde von Luzern unter Vertrag genommen und kickte für eine Saison beim FC Zürich, bevor er wieder zu Emmenbrücke zurückkehrte und mit dem Sportstudium begann.
    Wir hatte uns im «Central» verabredet. Vor einigen Monaten war im «Adler» der absehbare Pächterwechsel erfolgt. Der Neue versuchte die Patrioten zu bedienen, indem er an den Wochenenden Schwyzerörgeli aufbot und die AC/DC -Scheiben aus der Jukebox entfernte.
    Als ich im «Central» eintraf, sass Adnan bereits an einem Tisch und unterhielt sich mit der Kellnerin. Sie war etwas älter als wir und sah gar nicht mal schlecht aus.
    Wir begrüssten uns mit dem FCVM -Handschlag. Ich setzte mich und bestellte eine Flasche Bier. Die Kellnerin bedachte Adnan mit einem vorläufigen Lächeln und ging zum Ausschank.
    Adnan war ein Charmeur. Ich hatte ihn deswegen oft beneidet. Aber er war keiner, der einen in Gegenwart attraktiver Frauen anders behandelte. Wenn er merkte, dass es mir jemand angetan hatte, hielt er sich vornehm zurück. Freilich nützte das nicht viel. Am Ende interessierten sich die Mädchen doch nur für ihn. Ich führte das neben seinem guten Aussehen – blond, blaue Augen, gewinnendes Lächeln – auf sein humorvolles und spontanes Wesen zurück, das nicht zuletzt ja auch mich für ihn einnahm.
    Nachdem wir einander zugeprostet hatten, fragte ich Adnan geradeheraus, ob er die kyrillische Schrift lesen könne.
    «Ich habs mal im Serbokroatisch gelernt. Ist aber lang her. Warum?»
    «Ich hab hier drei Texte, von denen ich gern wüsste, was sie bedeuten.»
    Ich reichte ihm die Briefe. Adnan betrachtete den ersten und runzelte die Stirn. Nach einer Weile blickte er verwundert auf.
    «Ich glaub, ich kanns noch einigermassen. Wo hast du die her?»
    «Später … Kannst dus übersetzen?»
    «Mal schauen …»
    «Moment …» Ich gab der Kellnerin ein Handzeichen. Sie kam lächelnd näher. Ob sie mir einen Kugelschreiber leihen könne, fragte ich.
    Sie wiegte sich in den Hüften, schmunzelte und sah dabei Adnan an. «Wenn du mich nicht mehr siezen tust! Ich komm mir nämlich sonst so alt vor.»
    Ich erklärte mich damit einverstanden, nahm den Kugelschreiber entgegen und sah ihr nach, während sie sich entfernte. Adnan grinste, nahm einen kräftigen Schluck und schob das Glas zur Seite.
    «Also hier steht … Moment, ich bin nicht mehr so geübt darin … Also der erste Satz: Die Welt ist … ist überfüllt mit – wie sagt man dem auf Deutsch? Dreck? Schmutz? Abschaum? … Also, noch einmal: Die Welt ist überfüllt mit Abschaum. Odasvud! – Von überall her.»
    «Die Welt ist überfüllt mit Abschaum von überall her?»
    «Nach Schmutz kommt ein Punkt.»
    «Schreibs auf, darüber.»
    Ich gab ihm den Kugelschreiber. Er kritzelte mit seiner ungelenken Schrift über den kyrillischen Zeichen.
    Ich steckte mir eine Zigarette an.
    «Hast du mir auch eine?»
    «Ich dachte, du hast damit aufgehört?»
    «Hab ich auch.»
    Ich gab ihm Feuer.
    «Also, und darunter steht: Ja, Bosnien ist das Land des Hasses.»
    «Aufschreiben.»
    Wieder schrieb er.
    «Soll ich weitermachen?»
    «Ja, bitte.»
    «Von ihm verbreitete sich … širio oštar zadah ranjene zverke … der scharfe Geruch … einer verletzten Bestie?»
    «Einer verwundeten Bestie», schlug ich vor.
    Adnan schrieb. Dann griff er nach seiner Zigarette, die in einer der Rillen des Aschenbechers steckte, und zog daran.
    «Und weiter?»
    «Das ist alles.»
    «Also gut – der nächste Brief.»
    «Was soll das bedeuten?»
    «Ich erklärs dir gleich.»
    Adnan nahm noch einen Zug und klemmte die Zigarette wieder in die Rille.
    «Hier steht … Wie sagt man dem … nicht Pater, sondern …»
    «Pfarrer?»
    «Nein …»
    «Priester, Abt, Dekan?»
    «Neinnein, das was unter dem Pater ist …»
    «Unter dem Pater? … Du meinst Bruder.»
    «Ja genau, Bruder. Okay: Bruder Radomir konnte nicht sprechen, weil sein Mund voll Blut war …»
    Adnan schrieb. Nachdem er auch den letzten Brief übertragen hatte, reichte er ihn mir. Ich las noch einmal alle Sätze durch. «Die Welt ist überfüllt mit Abschaum. Von überall her.» – «Ja, Bosnien ist das Land des Hasses.» – «Von ihm verbreitete sich der scharfe Gestank einer verwundeten Bestie.» – «Bruder Radomir konnte nicht sprechen, weil sein Mund voll Blut war.» – «Nun warteten wir auf die ungewisse Ankunft des Zugs nach Fo č a.» – «Er
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