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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis
Autoren: Bernd Ulbrich
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die Schilderung der nach diesem Datum einsetzenden Entwicklung der alten Welt versetzte wohl Sir Edward einen Schock. Mit fieberhaftem Eifer, als suche er etwas, las er immer wieder jenes Buch durch, und immer wieder schleuderte er es enttäuscht in die Ecke.
Eines Tages machte er mir den Vorschlag, in einer fernen Vergangenheit große Reichtümer zu erwerben, um sich damit im achtzehnten oder neunzehnten Jahrhundert zur Ruhe zu setzen. Ich schwankte. Seine Idee war verlockend, zumal ich wußte, daß die Zukunft Schweres für uns bereithalten würde. Doch was sollte ich mit meiner Erfindung im neunzehnten Jahrhundert? Auch wurde mir klar, daß eine solche Aktion ohne die Verletzung moralischer und juristischer Gesetze nicht zu bewältigen sein würde. Ich fürchtete den Mißbrauch meiner Erfindung. Ich verbot Brooke, die Zeitmaschine weiterhin als Mittel zur Erlangung materieller Güter zu betrachten. Es kam zu einer Auseinandersetzung. Brooke war wie ein Tier. Er schrie, drohte, weinte, flehte mich auf Knien an, ihn zu retten. Ich versuchte ihn zu überzeugen, daß es besser wäre, sich auf die Zukunft vorzubereiten.
Einige Zeit ging Brooke mit finsterem Gesicht umher und ignorierte mich. Aber eines Tages unterbreitete er mir einen neuen Vorschlag zur Sicherung unserer Zukunft, denn auch seine Mittel schwanden infolge der Inflation rapide.
Brookes Idee brachte allen Beteiligten Vorteile und war darüber hinaus so einfach und voller Spaß, das ich ohne Zögern darauf einging.
Brooke wollte aus Glamis Castle ein Luxushotel mit besonderer Attraktion machen: Das Schloß sollte ein echtes Gespenst bekommen.
Soweit er es begriff, war Brooke über die Zeitmaschine informiert. Im groben kannte er ihr Prinzip und ihre Möglichkeiten. Er war über den Zeittunnel unterrichtet, der die Grundlage für die Reise in Vergangenheit und Zukunft bildet. Ihn kann man beliebig verlassen und betreten. Man reist, geschützt durch starke Energiefelder, durch Raum und Zeit. Beim Manipulieren mit dem Zeittunnel kann ein Effekt auftreten, den ich Zeitgrube genannt habe. Er tritt sehr selten auf und nur, wenn sich mindestens drei Zeitebenen unter genau definierten Bedingungen begegnen. Der Steuerkybernet ist in der Lage, die dazu führenden Größen ständig zu kontrollieren und die gefährlichen Konstellationen auszuschalten. Daß der Tunnel nicht zur Grube umkippt, ist zur Sicherheit des Zeitreisenden unerläßlich, denn die Zeitgrube ist eine Entartung des Tunnels. Allerdings, und das wurde mir zum Verhängnis, kann man sie auch künstlich herbeiführen.«
»Zeitgrube. Eine eigenartige Bezeichnung.« Das Wort löste eine Assoziation bei Randaik aus. Er begriff zwar nichts, aber er begann den Alten zu bemitleiden. »Es klingt nach Gefangenschaft, nach Eingeschlossensein.«
»Machen Sie die Zeitgrube dafür verantwortlich, daß Sie solch ein biblisches Alter erreicht haben?« fragte Lewis.
»Ich sagte schon«, fuhr McLaugham fort, »ich bin effektiv einhundertneununddreißig Jahre alt. An jedem Tag lebe ich sechs Stunden, ein Viertel des Tages. Während dieser Zeit krieche ich, wie eine Fliege im Glastopf, an der Wand meines Ereigniskegels entlang. Doch bevor ich sein Ende erreiche, um meine künstlich aufrechterhaltene Raum-Zeit-Union zu verlassen, werde ich zurückgestürzt auf den Grund der Grube, und alles beginnt von vorn, nur eben – und das ist die furchtbare Paradoxie – vierundzwanzig Stunden später. Ich lebe nur nachts zwischen zwölf und sechs.«
»Aber Sie existieren doch«, sagte Randaik ungläubig, »und trinken Whisky! Wie wollen Sie da behaupten, ein Geist zu sein.«
»Ich habe es nie behauptet.«
»Also könnte ich Sie anfassen.« Er streckte seine Hand aus.
Der Alte fuhr zurück. »Um Gottes willen, berühren Sie mich nicht! Wollen Sie, daß Ihnen die Hand verdorrt? Mein Zeitfeld bewirkt, daß alles, was ich tangiere, im Handumdrehen altert.« Er hob einen Arm. »Sehen Sie hier!« Auf der Lehne des Schaukelstuhls zeichnete sich wie ein bleicher Schatten der Umriß seines Armes und seiner Hand ab. McLaugham ließ den Arm wieder sinken. »Dort, wo ich den Stoff berühre, ist er künstlich gealtert, verblichen.«
Sie musterten mitleidig seine fadenscheinige Kleidung.
»Das alles klingt absurd«, sagte Randaik. »Ein tragisches Märchen. Man wünscht fast, man könnte Ihnen glauben.«
»Sehen Sie her.« McLaugham fuhr sich mit der rechten Hand durch den Hals, als existiere der nicht, ergriff mit der linken seinen Kopf und
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