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Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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durch eine verletzungsbedingte Gedächtnisschwäche erklären. Im Übrigen fühlte sie sich wirklich schwach und benommen.
    Beim Flugzeugabsturz war auch Olivias ganzes Gepäck verloren gegangen. Im Krankenhaus hatte man Sylvia mit dem Nötigsten versehen, und Jessop hatte ihr außerdem noch eine hübsche Halskette aus unechten Perlen geschenkt…
    Den ihr gegebenen Anweisungen entsprechend ging Sylvia in den Speisesaal, nachdem sie sich ein wenig ausgeruht hatte. Man tuschelte bei ihrem Erscheinen und flüsterte sich die Geschichte ihres Unglücks zu. Peinlich berührt flüchtete sie sich gleich nach der Mahlzeit in den kleinen Salon. Sie war gespannt, ob jemand sie ansprechen würde.
    Und wirklich kam nach einiger Zeit eine beleibte Dame in mittleren Jahren herein und setzte sich neben sie. In teilnehmendem Ton begann sie:
    »Sie wollen mich bitte entschuldigen, aber ich fühle das Bedürfnis, mit Ihnen zu reden. Sie sind doch die Dame, die auf so wunderbare Weise das schreckliche Unglück überlebt hat?«
    Sylvia ließ das Magazin sinken, in dem sie gelesen hatte.
    »Ja!«, entgegnete sie kurz.
    »Gott, wie furchtbar – ich meine natürlich den Absturz. Man sagt, es habe nur drei Überlebende gegeben. Ist das richtig?«
    »Nur zwei«, berichtigte Sylvia, »und von diesen beiden starb eine Frau kurz nach der Einlieferung ins Krankenhaus.«
    »Du meine Güte, was Sie nicht sagen. Nun nehmen Sie es mir bitte nicht übel, wenn ich Sie etwas frage, Miss… Mrs…«
    »Betterton«, half Sylvia nach.
    »Darf ich Sie fragen, ob Sie vorn oder hinten im Flugzeug gesessen haben?«
    Glücklicherweise wusste Sylvia die Antwort.
    »Ich habe ganz hinten gesessen.«
    »Man behauptet immer, das sei der sicherste Platz; künftig werde ich mich auch nur noch da hinsetzen.«
    »Aber irgendjemand muss doch auch vorne sitzen«, bemerkte Silvia, indem sie sich mühsam das Lachen verkniff.
    »Dieser Irgendjemand werde jedenfalls nicht ich sein«, entgegnete die neue Bekanntschaft in entschiedenem Ton, »übrigens, mein Name ist Baker, Mrs Calvin Baker. Wo gedenken Sie hinzufahren, Mrs Betterton?«
    »Ich möchte ganz gern Fes kennen lernen«, antwortete Sylvia vorsichtig, »muss aber vorher vor allem meine Zimmerreservierungen erneuern, die ja inzwischen abgelaufen sind.«
    »O ja, Fes oder Rabat dürfen Sie auf keinen Fall versäumen.«
    »Waren Sie selbst schon dort?«
    »Bis jetzt noch nicht – ich werde aber demnächst hinfahren.«
    Die Unterhaltung plätscherte noch eine Weile so dahin, dann zog sich Sylvia, unter dem Vorwand, müde zu sein, auf ihr Zimmer zurück. Diese Mrs Baker war offenbar eine harmlose, unbedeutende Touristin. Von ihr durfte sie keine Verhaltensmaßregeln oder Hinweise erwarten. –
    Am nächsten Morgen ging Sylvia ins Reisebüro, um sich alles zur Weiterreise Erforderliche zu beschaffen. Aber zu ihrem Erstaunen erfuhr sie dort, dass schon alles erledigt war.
    »Aber wieso denn?«, fragte sie, »ich habe doch…«
    »Gleich nach Ihrem Anruf, Madame, haben wir alles besorgt.«
    Sylvia erschrak. Sie wusste genau, dass weder sie selbst noch ein Dritter in ihrem Auftrag das Reisebüro angerufen hatte. Somit war also bewiesen, dass irgendeine mysteriöse Organisation ihre Schritte überwachte. Sie nahm Fahrkarten und sonstige Belege entgegen und begab sich zurück in ihr Hotel. Sie konnte also schon morgen nach Fes reisen. Mrs Baker sah sie an diesem Tag nicht mehr…

6
     
    V on Casablanca war Sylvia eigentlich ein wenig enttäuscht gewesen; es hatte so gar nichts Orientalisch-Geheimnisvolles an sich, sondern wirkte mehr wie eine französische Niederlassung. Das Wetter war immer noch schön, sonnig und klar. Mit Entzücken betrachtete Sylvia von ihrem Fensterplatz im Zug aus die vorüberfliegende Landschaft. Ihr gegenüber saß ein kleiner Franzose, offenbar ein Geschäftsreisender. Er gab ihr Feuer für ihre Zigarette und knüpfte alsbald ein Gespräch an.
    »Eigentlich sollten Sie nach Rabat gehen, Madame. Es ist schade, wenn man sich Rabat nicht angesehen hat.«
    »Ich werde es versuchen; aber ich habe nicht viel Zeit, und außerdem« – sie lächelte – »ich bin nicht so gut bei Kasse. Sie wissen ja, wie wenig Devisen man mitnehmen darf.«
    »Aber das ist doch die einfachste Sache von der Welt – man setzt sich mit seinen hiesigen Freunden in Verbindung.«
    »Ich habe keine Freunde in Marokko.«
    »Wenn Sie wieder einmal verreisen, Madame, so schreiben Sie mir nur ein Wort. Ich erledige alles für Sie.

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