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Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg
Autoren: Agatha Christie
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Ich komme geschäftlich oft nach England, und dann können Sie Ihre Schulden bei mir begleichen.«
    »Sehr freundlich von Ihnen. Ich hoffe wirklich sehr, später wieder einmal nach Marokko kommen zu können.«
    »Es muss für Sie eine angenehme Abwechslung sein, Madame. In England ist es so kalt und neblig. Wie war das Wetter, als Sie England verließen?«
    »Genau wie Sie sagen – kalt und neblig.«
    »Ach ja, jetzt ist ja dort die hässlichste Jahreszeit. Und Schnee – hatten Sie keinen Schnee?«
    »Nein, Schnee hatten wir nicht.«
    Im Stillen wunderte sie sich, dass der kleine Franzose so sehr am Wetter in England interessiert war. Doch vergaß sie es bald wieder und unterhielt sich gut mit ihm über alle möglichen Themen, bis sie endlich gegen Abend in Fes eintrafen. Sylvia stand auf dem Perron, halb betäubt von dem Lärm und Geschrei rundherum.
    »Gestatten Sie, Madame, dass ich Ihnen behilflich bin. Sie steigen doch gewiss im Palais Djamai ab?«
    »Ja, dort habe ich ein Zimmer bestellt.«
    »Gut. Es ist acht Kilometer von hier entfernt.«
    »Acht Kilometer?« Silvia war enttäuscht. »Es ist also nicht in der Stadt?«
    »Es ist im alten Fes. Ich wohne allerdings in einem Hotel in der Neustadt. Wer aber zum Vergnügen nach Fes kommt, der steigt im Djamai ab. Auf diese Weise lernt er das alte, interessante Fes kennen. Es sieht so aus, als habe man keinen Wagen an die Bahn geschickt. Ich werde Ihnen ein Taxi besorgen.«
    In flüssigem Arabisch verhandelte er mit den Leuten, und in kürzester Frist war ein Taxi zur Stelle und Sylvias Gepäck verstaut. Als sie eingestiegen war, überreichte der Franzose ihr eine Visitenkarte mit den Worten: »Bitte, Madame, machen Sie Gebrauch davon, wenn Sie Hilfe benötigen. Ich wohne die nächsten vier Tage im hiesigen Grand Hotel.«
    Er zog seinen Hut und entfernte sich. Auf der Karte stand nur »Monsieur Henri Laurier«.
    Der Wagen setzte sich in Bewegung, doch Sylvia gewahrte außer hier und da einem erleuchteten Haus nicht viel von der Gegend, da die Dunkelheit bereits hereingebrochen war. So lehnte sie sich zurück und grübelte darüber nach, ob Laurier wohl zu der Organisation gehörte, die Thomas Betterton veranlasst hatte, seine Arbeit, sein Heim und seine Frau zu verlassen? Und wohin würde sie wohl mit diesem Taxi gebracht werden, das Laurier für sie aufgetrieben hatte?
    Doch es brachte sie ganz vorschriftsmäßig ins Palais Djamai. Sie stieg aus, durchschritt einen gewölbten Eingang und kam zu ihrem Entzücken in eine durchaus orientalische Umgebung – mit breiten Ruhebetten, Mokkatischchen und wertvollen einheimischen Teppichen. Sie wurde nach Erledigung der üblichen Formalitäten über eine von Lorbeerbäumen gesäumte Terrasse, deren Blumenschmuck einen betäubenden Duft ausströmte, zu einer Wendeltreppe und in einen Raum geführt, der gleichfalls in orientalischem Stil eingerichtet war, zugleich aber alle modernen Bequemlichkeiten aufwies. Man sagte ihr, dass das Dinner um 7 Uhr 30 serviert werde.
    Sylvia packte ihren Handkoffer aus, machte etwas Toilette und stieg dann wieder die Wendeltreppe hinunter, durchquerte einen großen Rauchsalon und gelangte schließlich in den rechteckigen Speisesaal. Während sie die ausgezeichnet zubereitete Mahlzeit verzehrte, konnte sie ein ständiges Kommen und Gehen der Gäste beobachten – Angehörige der verschiedensten Nationen. Ihre besondere Aufmerksamkeit erregte ein ältlicher kleiner Herr mit gelblicher Gesichtsfarbe und einem kleinen Spitzbart. Er schien eine Person von Bedeutung zu sein, denn er wurde mit ungewöhnlicher Sorgfalt bedient, und man gehorchte seinem leisesten Wink. Aber sie fühlte sich zu abgespannt, um noch Fragen an den Kellner zu richten, und begab sich frühzeitig zu Bett.
    Am nächsten Morgen suchte sie wieder die Terrasse auf und setzte sich unter einen weiß und rot gestreiften Sonnenschirm. Ihre sonderbare Lage kam ihr überdeutlich zum Bewusstsein. Da saß sie nun, eine todgeweihte Frau, auf die unbekannte Gefahren lauerten. Sie verstand die arme Olivia Betterton, die bereits am Rande ihrer Nervenkraft gewesen war und gehofft hatte, sich hier, an dieser friedlichen Stätte, erholen zu können.
    Ihr Gedankengang wurde unterbrochen durch den alten gelbhäutigen Herrn mit dem Spitzbärtchen, der die Terrasse betrat, gefolgt von einem dienstbeflissenen Kellner, der sofort davoneilte, nachdem er eine Bestellung entgegengenommen hatte. Sylvia verlangte einen Martini und fragte ihren Kellner
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