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Der unbeugsame Papagei

Der unbeugsame Papagei

Titel: Der unbeugsame Papagei
Autoren: Andrej Kurkow
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Kusma beide kannten.
    „So, der Tee ist fertig, kommen Sie!“, ertönte Valentina Jefremowas zarte Stimme.
    Zum Tee zog die Bibliothekarin eine Packung Kekse aus der Schublade ihres Schreibtischs heraus.
    Es war echter Tee. Mark schlürfte gierig aus der Blechtasse, wobei er sich verbrannte und sich aus irgendeinem Grund beeilte.
    „Genosse Krutschonyj ist ein guter Mensch“, sagte die Frau. „Er ist doch Verdienter Glasbläser der Ud SSR . Hier mögen ihn viele nicht, aber zu Unrecht. Und bei ihm zu Hause ist auch nicht alles in Ordnung, sein Töchterchen, es heißt Olja, ist ständig krank. Ich habe ihm schon gesagt, dass sie sie in irgendein Internat in den Süden schicken sollen, das wäre doch besser …“
    Mark hörte nicht sehr aufmerksam zu. Die an dem Tee verbrannte Zunge kribbelte. Doch sein Bauch fühlte sich warm und angenehm an, nur die Augen ermüdeten schon langsam davon, sich an dieser sympathischen, häuslichen Frau zu erfreuen. Und da nahm Mark die schwere Brille ab, legte sie auf den Tisch und zwinkerte ein paar Mal, um die Lider zu entspannen.
    „Sie sehen aber schlecht!“, sagte Valentina Jefremowa mitfühlend.
    „Ja, seit dem Krieg …“ Mark seufzte tief.
    Valentina Jefremowa nickte verständnisvoll.
    Mit zwei Stapeln Bücher kehrte Mark in seine Zelle zurück. Einen Stapel trug er selbst, den zweiten der Aufseher. Unter den Büchern gab es nicht nur Dichtung. Mark hatte den Umstand genutzt und aus der Bibliothek auch ein paar Abenteuerromane über Spione und Grenzschützer mitgenommen, sowie auch noch ausgewählte Reden des Genossen Twerin.
    Als er, schon in seiner Zelle, von dem Aufseher den zweiten Stapel entgegennahm, konnte Mark sich nicht zurückhalten und lächelte froh. Durch dieses glückliche Lächeln entspannte sich sogar der Aufseher und sagte beim Abschied vertrauensvoll zu seinem Schützling: „Weißt du, Fenimore Cooper, das ist mal ein Schriftsteller! Das ist wie Gorki, nur über Amerika!“ Und er ging.
    Nachdem er Kusma von seinem Teetrinken in der Bibliothek erzählt hatte, legte Mark sich hin um auszuruhen, aber zum Ausruhen kam er nicht. Jurez traf mit einem langarmigen alten Mann ein. Der Alte brachte ein Bündel mit, und Mark erkannte, dass sie jetzt auftreten mussten. Er holte den Papagei aus dem Käfig und setzte ihn sich auf die Schulter.
    Als er hörte, wie Kusma Häftlingsballaden vortrug, sperrte der Alte den Mund auf, und Mark, der ihm gegenüber saß, roch etwas Unangenehmes in der Luft.
    Für die Vorstellung bezahlte der Alte mit einem schönen Stück Speck, aber eine Viertelstunde später kehrte Jurez zurück und schnitt sich von diesem Stück die Hälfte ab.
    Die Sonne kroch schon über die Pritsche. Mark, der den Käfig mit Kusma in den Sonnenstrahl geschoben hatte, machte es sich ebenfalls bequem und schlug das Buch mit den Reden Genosse Twerins auf.

Kapitel 42
    Den Roten Ersten Mai beging Krasnoretschensk mit neuen Siegen der Arbeit. Der Bau eines zweiten Werkes zur Herstellung von Trinkspiritus war fertiggestellt worden. Dobrynin und Waplachow erhielten jeder eine Prämie und eine Medaille „Für heldenmütige Arbeit“. Dobrynin kaufte Bücher für seine gesamte Prämie, Waplachow kaufte Staatsanleihen.
    Am Morgen des Ersten Mai gingen sie zur Fabrik, um sich in die Kolonne der Demonstranten einzureihen, doch unerwartet rief Direktor Limonow sie zu sich. Er teilte den Volkskontrolleuren mit, dass fortan ihr Platz während aller staatlicher Feiertage auf der Festtribüne sei. Dorthin begaben sie sich nun also.
    Auf der Festtribüne zu stehen, in der Erwartung, dass die Demonstration begann, war ehrenvoll und angenehm. Neben ihnen standen, von einem Bein auf das andere tretend, die leitenden Funktionäre des Krasnoretschensker Stadt­komitees und des städtischen Exekutivkomitees, es standen dort in Paradeuniform Oberste, Oberstleutnante und zwei Generäle.
    Die Militärblaskapelle begann zu spielen.
    Dobrynin und Waplachow wandten, wie auch die übrigen, die auf der Tribüne standen, ihre Köpfe in die Richtung, aus der die Kolonnen der Erster-Mai-Demonstranten eintreffen sollten.
    Die breite Hauptstraße, die den Namen der Gewerkschaften trug, war bislang noch leer, doch die Klänge der Blas­kapelle, die über der Straße und dem Platz, in den diese Straße mündete, hin und her wogten, belebten alles. So schien es, als marschierten unsichtbare Kolonnen von Arbeitern und Arbeiterinnen der ruhmreichen Stadt Krasnoretschensk mit zackigem
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