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Der Traumkicker - Roman

Der Traumkicker - Roman

Titel: Der Traumkicker - Roman
Autoren: Insel Verlag
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ihn und die Rothaarige zum Essen eingeladen hatten, weil wir ihn überzeugen wollten, bis Sonntag in der Siedlung zu bleiben.
    Eigentlich hatten wir ihn weniger eingeladen als vielmehr hingeschleift. Denn während die Frau nach beendeter Vorstellung alle Requisiten wieder sehr behutsam in den Koffer räumte, als handelte es sich dabei wirklich um die für eine heilige Handlung unabdingbare Ausstattung, hatte er das Geld in der Ambrosoli-Dose gezählt, sich dann, noch immer schnaufend wie ein Stier, eine Zigarette angezündet und gefragt, was der nächste Ort Richtung Norden sei. Sie müssten unverzüglich weiter. Und für sich hatte er noch mit der Zigarette im Mundwinkel genuschelt, dieses Nest hier sei ja so winzig und wenig spendabel, da lohne sich mehr als eine Vorstellung nicht.
    Seine Stimme kam uns eigentümlich heiser vor.
    Als jemand ihn wissen ließ, der nächste Ort sei die Salpetersiedlung María Elena und nur sieben Kilometer entfernt, packte uns das schiere Grauen, und wir dachten, wir müssten ja restlos irre und unzurechnungsfähig sein, wenn wir zuließen, dass dieses Ballwunder den Staubfressern in die Hände fiele. Man musste ihn irgendwie zurückhalten, dafür sorgen, dass er im Ort blieb. Notfalls mit Gewalt. Wieder war es Pata Pata, der als Erster den Schnabel auftat und meinte, die beiden Grindköpfe hätten doch sicher den ganzen Tag noch nichts gegessen, also ein Mordsloch im Bauch, und fürs Erste müssten wir sie zum Mittagessen einladen. »Danach sehen wir weiter«, sagte er.
    Im Huachipato (um diese Zeit menschenleer bis auf die vier Elektriker, die selbstvergessen und still hinten am dunkelsten Tisch tranken) sahen wir unsere Gästen das duftende, mit frischem Koriander grün überstreute geschmorte Rindfleisch verputzen und dazu die proletarischen, montagsfarbenen Bohnen mit Chili, und wir gaben alles, um sie davon zu überzeugen, dass sie wenigstens bis Donnerstag blieben, unserem Zahltag. Weil die Leute doch hier, wie in jeder Wüstensiedlung, die Woche über auf Pump lebten, aber wenn dann Geld kam, waren sie sehr spendabel und großzügig. Dann würden die beiden sehen, wie ihre Dose von Münzen überquoll. Während wir einander das Wort aus dem Mund nahmen und uns gegenseitig übertönten, starrte uns der Traumkicker am weißen Ball, die Serviette umgebunden wie ein Lätzchen und mit beiden Händen zugleich essend und trinkend, bloß aus seinen irren Augen an, als hätte er keinen Schimmer, wovon wir sprachen, oder interessierte sich keinen Deut dafür. Allenfalls gab er mal melancholisch eine einsilbige Antwort und hängte ein »mein Guter« an, was seine Anrede für seine Mitmenschen war: ja, meinGuter, nein, mein Guter, mag sein, meine Guten. Die Frau mümmelte derweil, ohne den Blick vom Teller zu heben, wie ein Mäuschen vor sich hin und schien vor allem dem Text des mexikanischen Lieds zu lauschen, das aus den Lautsprechern drang.
    Unter denen, die an diesem Nachmittag das Paar begleitet hatten, waren der Trainer unserer Elf, Don Agapito Sánchez, der als Angestellter des Minenladens im Verkauf arbeitete, Pata Pata, Gewerkschaftsführer und »Mannschaftsberater«, wie er sich selbst großspurig nannte, Don Celestino Rojas, Präsident der Sportvereinigung und für viele der Fluch des Teams, zu dessen Gunsten sich vor allem sagen ließ, dass er der Vater eines der hübschesten Mädchen der Wüste war (in das Tuny Robledo, unser jüngster Mittelstürmer, unsterblich verliebt war), außerdem Don Silvestre Pareto, als Platzwart für unser Spielfeld und im Ort für das Vergiften von Hunden zuständig, Juanito Caballero, Zeugwart der Mannschaft und vor allem (neben seiner Ritterlichkeit, die seinem Namen alle Ehre machte) an seiner skurrilen Haartracht zu erkennen: Peinlich bemüht, seine Glatze zu verbergen, legte er sich die schütteren Strähnen von der linken Schläfe in eigentümlichen Arabesken über den Schädel und fixierte sie dort mit Haarspray, außerdem Choche Maravilla, Mechaniker, dem es irgendwie stets gelang, die längste Zeit des Jahres mit ärztlichem Attest auf der faulen Haut zu liegen, der alte Tiroyo, ein greiser Lüstling, der in der Gasse der Junggesellen wohnte und von dem sich an Gutem, wie er selber zugab, nur sagen ließ, dass er ein »kultivierter Hurenbock«war, und dann hatte sich in letzter Minute unvermeidlich noch der verrückte Cachimoco Farfán der Abordnung angeschlossen. »Da wolltet ihr Schleimbeutler, ihr Auswüchse der bösen Geschwulst wohl
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