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Der Traumkicker - Roman

Der Traumkicker - Roman

Titel: Der Traumkicker - Roman
Autoren: Insel Verlag
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Liebeslustigen das Mütchen aber keineswegs kühlt und ihr Verlangen auch nicht mindert, sondern ihre Libido bloß in selbstmörderischer Weise weiter anfacht. So dass die Heißsporne aus unserer Siedlung einen Wettbewerb laufen haben, wer bei den Besuchen in María Elena mehr Mädchen aufreißt und rumkriegt. Wobei Choche Maravilla natürlich Maßstäbe setzt, weil keiner vor den Mädchen so gut den Gigolo gibt wie er. Die Frauen erzählen sich, Choche Maravilla gehöre zuder Sorte von Casanova, die weiß, was eine Frau hören will, und dass er selbst einer Spitzhacke das Herz rauben würde, käme eine parfümiert und im Rock zur Tür herein. Das jedenfalls finden die jüngeren, unter den Charmeuren »im besten Alter« trägt dagegen ein nah und fern unter dem Spitznamen »der Graf« bekanntes Männlein den Sieg davon, ein eher unansehnlicher, verwachsener Kerl, der nicht nur der strengste Schiedsrichter von Coya Sur ist, sondern auch im Ruf steht, von allen Junggesellen der am besten bestückte zu sein. Ein Kampfstier, und obendrein hält er den für jeden Christenmenschen in freier Wildbahn unerreichbaren Rekord, dass vier Frauen aus María Elena von ihm niedergekommen sind – zwei ledig, eine verwitwet, eine verheiratet   –, und zwar alle binnen eines Jahres. Aber so richtig kriminell wird die Rivalität vor allem beim Fußball. Da ist an Waffenstillstand nicht zu denken. Sehr selten, fast könnte man sagen nie, mündet ein Spiel nicht in eine offene Feldschlacht. Sofern die Fetzen nicht schon auf dem Spielfeld fliegen, platzt die Bombe auf den Rängen oder hinterher bei den berüchtigten Feiern, wenn die Gäste von der Heimmannschaft bewirtet werden. Mitten im Feiern, während noch Trinksprüche auf die gute Kameradschaft ausgebracht werden und man wohlerzogene Reden hält und Urkunden und Gedenkplaketten tauscht, entspinnt sich unversehens, sozusagen arglos, ein Wettstreit der Stimmen und Gesänge von einem Tisch zum anderen, von einer Delegation zur nächsten. Und schon wird es brenzlig. Den Anfang macht einer der Gäste, wenn er mit einem Löffelchen ansein Glas tippt und um Ruhe bittet, da er auf Drängen seiner Kameraden gern »ein Liedchen zum Besten geben will, das mit allem Respekt und in Dankbarkeit den Gastgebern gewidmet sein soll für ihre ausgesuchte Höflichkeit und Gastfreundschaft«. Kaum ist sein Lied beendet, steht im Lokal aus dem anderen Lager ein Vertreter der Hausherren auf und widmet »diese kleine Melodie den Besuchern für die Grundanständigkeit und Ehrenhaftigkeit, die sie auf dem Platz und außerhalb bewiesen haben«. Hat einer der Vertreter der Auswärtigen mit einem Bolero von Lucho Barrios begonnen, bei dem man sich die Pulsadern in voller Länge aufschlitzen möchte, dann zahlt es ihm der Vertreter der Heimmannschaft mit gleicher Münze durch eine schmachtende Cumbia des Kolumbianers Luisín Landaes heim. Brüllen sich die von dort mit einer Ranchera die Seele aus dem Leib, verausgaben sich die von hier mit dem letzten Hit von Paul Anka, auf Englisch und mit Backgroundchor. Das alles begleitet von tobendem Getrampel, Klatschen und Hochrufen auf die Sänger von Seiten ihrer jeweiligen, inzwischen besorgniserregend angeheiterten Abordnung. Und bei diesen echten musikalischen Schlachten, das können wir mit Fug und Recht sagen, mein Freund, da haben sie uns noch nie zu schlagen gewusst. Das ist die reine Wahrheit. Weil wir in Coya Sur nämlich schon immer die besten Stimmen und namhaftesten Sänger der Gegend zu bieten hatten, man denke bloß an Washington Miranda, den schmalzgelockten Frontmann von The Gold White, der einzigen elektrisch verstärkten Kapelle in Coya Sur. Außerdem haben wir denunbeschreiblichen Torito Cantor, einen schrankähnlichen Mechanikermeister mit schwarzem Schnauzbart, der, wenn er Violetas imperiales schmettert, mit seinem Tenor die Wellblechwände der gesamten Siedlung zum Schwingen bringt. Und dann ist da noch der sagenumwobene Juan Charrasqueado, der stimmkräftigste Bewohner der Calle O’Higgins, der zu jedem noch so ausgefallenen Anlass bei sich eine Party steigen lässt, alle einlädt, die an seiner Tür vorbeikommen, und dann, einerlei wie früh oder spät es ist, zur Gitarre seine tränenseligen mexikanischen Romanzen singt. Und last but not least wäre da noch California, »der letzte Romantiker der Welt«, wie er sich selber gern nennt, ein Kneipen- und Spelunkensänger im unverwüstlichen weißen Anzug und mit einer Haarmähne wie ein
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