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Der Traumkicker - Roman

Der Traumkicker - Roman

Titel: Der Traumkicker - Roman
Autoren: Insel Verlag
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Neuankömmlinge, als sie sich ein wenig ausgeruht hatten, noch im Sitzen mit einem eigentümlichen Ritual. Während er die Hose auszog, unter der eine Fußballhose zum Vorschein kam (grün und ebenfalls zu groß für seine Statur), nahm sie den kleinen Koffer, schob ihn sich auf den Schoß und holte dann, als würde sie eine liturgische Zeremonie vorbereiten, umständlich und andachtsvoll einige Dinge hervor, die sie in einer Reihe vor sich auf den Boden legte.
    Erst ein Paar Fußballschuhe. Dann ein Paar aufgerollte Kniestrümpfe. Danach zwei schmutzige, gelbliche Binden. Eine Oberschenkelbandage. Zum Schluss ein Döschen Salicylat-Salbe.
    Ohne zu merken oder einen rostigen Nagel darauf zu geben, dass die ersten Kinder angelaufen kamen und naseweis schauten, streckte sich der Mann rücklings auf dem Boden aus (jetzt mit dem Ball als Kopfkissen) und ließ sich von der Frau, die sich etwas von der Salbe auf die Hände getan hatte, erst sanft und dann energisch die Beine massieren. Danach umwickelte sie ihm die Füße mit den Binden, zog ihm die grün-weiß geringelten Strümpfe an, schob die Bandage über seinen linken Oberschenkel, und ehe sie ihm in die Fußballschuhe half und sie zuschnürte (es waren Stollenschuhe, keine Leistenschuhe, wie wir sie hier draußen ausschließlich benutzten), brachte sie das Leder, obwohl es frisch geputzt aussah, mit dem Saum ihres Zigeunerrocks auf Hochglanz.
    Als der Mann aufstand und das Hemd mit den Palmen und orangefarbenen Sonnen auszog, sahen wir, dass er darunter ein Trikot von Green Cross trug, eins vom Profi-Team.
    Während die Kinder ihn verblüfft und feixend bei einigen eher harmlosen Dehnübungen beobachteten, holte die Frau eine Abrosoli-Bonbon-Dose aus dem Koffer, so eine aus Blech, auf der ein Zettel mit der Aufschrift »Spenden« klebte. Danach zog sie einen vierfach zusammengelegten speckigen Pappkarton hervor, an den mit Heftzwecken Fotos und Zeitungsausschnitte gepinnt waren, klappte ihn auseinander und breitete ihn neben der Büchse auf dem Gehweg aus.
    Die Bühne war damit bereitet, der Mann rückte sich das Stirnband zurecht, zog die Strümpfe hoch und ordnete sein Trikot in der Hose. Dann trat er mit dem Ball einige Schritte weg in die Mitte der Straße.
    Die Sonne ergoss sich gelb und dickflüssig wie ein Schwall siedendes Öl über ihn.
    Nach der Windhose war die Luft wieder frei von jedem Hauch, und die einzige Abkühlung bot der flüchtige Schatten einiger Geier, die unter dem irrsinnig hellen Himmel kreisten.
    Der Mann stand mitten auf der Straße, drückte den Ball mit beiden Händen, als wollte er sich der genauen Menge Luft darin vergewissern, schaute zum Himmel (vielleicht weil er nicht glauben mochte, dass die Sonne dermaßen brannte), bekreuzigte sich mit dem lässigen Ernst eines Fußballers (dabei überquerte ihn der Schatten eines Geiers), warf den Ball hoch, nahm ihn in besterPelé-Manier mit dem Kopf und begann seinen unglaublichen Ballzirkus.
    Uns blieb die Spucke weg.
    Bis eben hatten wir, nachdem wir die Ersten gewesen waren, die das Paar ankommen sahen, dort im Schatten vor dem Rancho Grande jede Bewegung der beiden mit einer Art unbeteiligter, entspannter Neugier verfolgt, jedoch auf der langen Holzbank, die uns als Siestaplatz diente, nicht mal unsere Sitzposition verändert. Selbst während des Sandwirbels waren wir wie gehabt hocken geblieben (solche Wirbel gehörten zu unserem täglichen Brot) und hatten lediglich das Gesprächsthema gewechselt, die Gaukleraufmachung dieser zwei komischen, in unseren Gefilden nie gesehenen Vögel kommentiert und darüber gemutmaßt, wer sie sein mochten, wo sie herkamen und was um alles in der Welt sie hier wollten. Als der Mann jedoch mit der Vorführung seiner Ballkünste begann, sprangen wir auf und verstärkten den Kreis derjenigen, die ihn bereits mit offenen Mündern umringten.
    Die Hände kranichhaft angewinkelt (die charakteristische Pose des Technikers), und mit dem leuchtenden Blick eines Besessenen, stellte der Mann seine atemberaubende Ballbeherrschung zur Schau, berührte das Leder mit dem Feingefühl eines Künstlers, »so sanft und zartfühlend, wie man seine erste Liebe kost«, hätten die lyrischsten unter den Sportkommentatoren im Radio gesagt. »So sanft und zartfühlend, wie man ein Geschwür an der Leiste abtastet!«, sollte in den nächsten Tagen Cachimoco Farfán dazu sagen, unser Spinner, deram Spielfeldrand mit einer verbeulten Milchbüchse als Mikrophon die Sonntagsspiele
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