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Der Raub des Wikingers

Der Raub des Wikingers

Titel: Der Raub des Wikingers
Autoren: Sandra Hill
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Prolog
     
    Jorvik, A.D. 937
     
    In der Marktstadt ging schon die Sonne auf, und Hunderte von Menschen, ein Großteil von ihnen Kinder, sammelten sich auf den Stufen des Münsters, wo sie schrien, drängelten und schubsten, um etwas von dem dunklen Brot zu ergattern, das die Geistlichen dort austeilten.
    Unter den Armen, die sich für ihre wöchentliche Essensration anstellten, befanden sich der siebenjährige Adam und seine vierjährige Schwester Adela.
    »Hab keine Angst, Adela«, beruhigte Adam sie. »Niemand wird dir etwas tun ... zumindest solange nicht, wie ich hier bin, um dich zu beschützen.«
    Adela sah bewundernd zu ihm auf, den Daumen wie immer fest im Mund. Obwohl sie von den verlausten Haaren bis zu den bloßen Füßen schmutzig war - so wie er selbst, dachte Adam - war sie so schön wie eine Haremsprinzessin. Nicht dass er je eine Haremsprinzessin gesehen hätte, aber er hatte gehört, wie die Seeleute von ihnen gesprochen hatten, als er durch die Stadt gestreift war. Adela war seine Familie, seit ihre Mutter vor einem Jahr gestorben war und die beiden zurückgelassen hatte, und nun durchstreiften sie auf eigene Faust das Gelände am Hafen. Adela bedeutete ihm mehr als alles andere. In dem Moment schwor er sich, dass er ihre zerlumpten Kleider eines Tages durch juwelenbesetzte Seide ersetzen würde. Und irgendwann würde sie ein Bad nehmen. Vor allem aber würde er immer, immer da sein, um sie zu beschützen.
    »So, du bleibst jetzt hier stehen, Adela, während ich versuche, uns ein Stück Brot zu holen. Versprichst du mir, dass du dich nicht vom Fleck rührst?«
    »Ja, Adam.« Ihre Augen waren groß vor Furcht, als sie ihm nachsah, wie er sich einen Weg durch die Menge bahnte, hier zwickte, da schubste und sich unter Armen wegduckte, bis er einem Priester ein Stück Brot aus der Hand riss, das dieser gerade einer alten Frau in Lumpen zukommen lassen wollte.
    »Komm zurück, du widerliche Kröte«, schrie die Frau, was ihn aber nicht weiter kümmerte. Viele in der Menge wandten sich um, um ihm nachzusehen, und manche versuchten, ihm seine Beute wegzuschnappen, aber ohne Erfolg. Keinesfalls wollte er das gerade erkämpfte Essen wieder hergeben. Er stopfte es in den Ausschnitt seiner schmutzigen Tunika und rannte um sein Leben zu seiner Schwester zurück.
    Bei Adela angekommen, brach er das Brot in zwei Stücke, und beide schlangen das zähe Brot gierig hinunter. Es war die erste Nahrung seit 24 Stunden, und im Magen war das Brot sicherer als in ihrer Hand, weil die, die größer und stärker waren als sie, nicht davor zurückschrecken würden, sie wegen ein paar Krumen zu töten.
    Während Adam in Gedanken versunken dastand, hatte sich vor Adela eine Dame hingehockt. Sie war sehr groß, aber nicht so groß wie der Mann, der hinter ihr stand ... Er war so groß wie ein Pferd und seinem Gesichtsausdruck nach ein gewalttätiger Mann. Beide hatten hellblondes Haar und waren vielleicht Wikinger, was nichts Besonderes war, denn Jorvik war die nördlichste Hauptstadt Britanniens. Hier wimmelte es nur so von diesen verdammten Piraten.
    »Wie heißt du denn, kleines Mädchen?« Die Frau streckte ihre Hand aus und strich Adela ein paar lose Haarsträhnen aus dem Gesicht.
    Die Frau sah zwar harmlos aus, aber es gab genug Gesindel in der Stadt, und Adela wich zurück. »Adam«, flüsterte sie, griff nach seiner Hand und steckte den Daumen der anderen in den Mund.
    »Warum wollt Ihr das wissen?«, fragte Adam, kniff die Augen zusammen und schob kämpferisch die Hüften vor.
    »Ihr zwei solltet nicht so alleine hier herumlaufen. Wo sind eure Eltern?«
    »Haben keine.«
    »Sind sie ... gestorben?«
    »Ja, unsere Mutter ist gestorben. Was kümmert das Euch?«
    Die Frau atmete hörbar ein. »Wann war das?«
    »Letzten Winter.«
    »Vor einem Jahr! Bei wem wohnt ihr jetzt, bei eurem Vater?«
    »Hä?«
    »Rain, wir haben schon viel zu viel Zeit verplempert«, unterbrach sie da der blonde Mann und griff nach ihrem Arm.
    Rain hatte er sie genannt, was für ein seltsamer Name.
    »Einen Moment noch, Selik«, beharrte die Frau.
    »Denk an die Frau in den Wehen«, ermahnte sie Selik.
    »Oh, das habe ich ganz vergessen.« Sie warf einem anderen Mann, der neben dem Nordmann stand, einen entschuldigenden Blick zu. Es war Uhtred, ein Bürger Jorviks, den Adam gelegentlich schon gesehen hatte. Seine Frau war dick - sehr dick - von dem Kind, das sie erwartete. Hier war sie nirgends zu sehen. Sicherlich lag sie irgendwo im Stroh und
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