Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Inspiration zu THE LEGION - RED RUN

Die Inspiration zu THE LEGION - RED RUN

Titel: Die Inspiration zu THE LEGION - RED RUN
Autoren: Kami Garcia
Vom Netzwerk:
Red Run
    Niemand fuhr nachts über den Red Run. Lieber nahmen die Leute fünfzehn Meilen Umweg in Kauf, um die schmale Schotterpiste zwischen Black Grove und Julette, zwei Städten mit nur einer einzigen Ampel, zu umgehen. Der Red Run lag in der hintersten Provinz Louisianas unter den knorrigen Armen von Eichen begraben, die so hoch waren, dass sie fast an den Wolken kratzten. Als Edies Grandpa jung war, hatten Schmuggler auf dieser Route schwarzgebrannten Schnaps runter nach New Orleans gebracht. In den Schatten der Bäume, die dermaßen dicht standen, dass man nicht einmal die Sterne sehen konnte, konnte man sich gut verstecken. Riskant war es trotzdem. Wenn man erwischt wurde, knüpfte einen der Sheriff genau an diesen Eichen auf und überließ die Leichen den Alligatoren – so war die Straße auch zu ihrem Namen gekommen.
    Die Tage des Alkoholschmuggels waren längst vorüber, doch nun machten die Leute aus anderen Gründen nach Einbruch der Dunkelheit einen Bogen um den Red Run. Denn dort spukte es. In den letzten zwanzig Jahren hatte ein Geist sechs Menschenleben gefordert – das von Edies Bruder erst vor einem guten Jahr. Niemand wollte eine Begegnung mit dem Jungen mit den blauen Augen riskieren. Niemand außer Edie.
    Sie war auf der Suche nach ihm.
    Denn in dieser Nacht würde sie einen Geist töten.
    Edie hatte gar nicht gemerkt, wie lange sie schon unterwegs war, bis ihr Lieblingssong von Jane’s Addiction zum dritten Mal lief. Langsam fragte sie sich, ob sie ihn überhaupt finden würde, als sie die verrotteten Zwillingskiefern passierte, die die Hälfte der Strecke zwischen den beiden winzigen Städtchen markierten. Und in diesem Moment sah sie ihn. Er stand mitten auf der Straße, im schaukelnden gelben Licht ihrer Scheinwerfer. Seine Augen reflektierten das Licht wie bei einem verängstigten Tier, aber er sah so real aus wie ein ganz normaler junger Mann. Auch wenn er tot war.
    Instinktiv stieg sie auf die Bremse. Um den Jeep herum wirbelte Staub auf und drang durch die offenen Fenster. Als der Wagen schleudernd zum Stehen kam, stand er direkt vor ihrer Stoßstange, und winzige Staubpartikel schwebten um ihn herum durch die Luft.
    Einen Moment lang waren beide wie versteinert. Mit angehaltenem Atem starrte Edie über die Scheinwerfer hinweg den großen jungen Mann an, dessen Haut zu bleich und dessen Augen zu blau waren.
    » Keine Sorge, mir ist nichts passiert « , rief er und blinzelte ins Licht.
    Mit schwitzigen Händen umklammerte Edie das Lenkrad. Ihr war klar, dass sie eigentlich die Flucht hätte ergreifen sollen. Den Rückwärtsgang einlegen und Gas geben, bis er außer Sichtweite war. Doch obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug – sie konnte es nicht.
    Er verzog einen Mundwinkel zu einem seltsamen Halblächeln und klopfte sich den Dreck von seiner Jeans. Er hatte die breiten Schultern eines Schwimmers und lockiges dunkles Haar, das an manchen Stellen zu lang und an anderen zu kurz war, als hätte er es selbst geschnitten. » Ich bin nicht von hier. «
    Das wusste sie bereits.
    Er ging langsam auf ihren verbeulten roten Jeep zu. » Du bist nicht verletzt, oder? «
    Diese Frage hatte ihr noch nie jemand gestellt. In der Grundschule war Edie das Mädchen mit den unordentlichen Zöpfen gewesen. Die mit den zu großen Latzhosen, die an den Knien schon durchgescheuert waren. Ihre Eltern hatten ihr nie viel Aufmerksamkeit geschenkt – die Doppelschichten in der Raffinerie hatten sie zu sehr in Anspruch genommen. Ihr Bruder hatte ihre Zöpfe geflochten, die alles andere als perfekt gewesen waren.
    » Mir geht’s gut. « Edie schüttelte den Kopf, sodass ihr schwarzer Bob sie am Kinn kitzelte.
    Er legte seine Hand aufs Autodach und beugte sich zu dem offenen Fenster hinab. » Sag mal, könntest du mich vielleicht in die Stadt mitnehmen? «
    Edie wusste, wie die richtige Antwort gelautet hätte. Genauso wie sie wusste, dass sie mitten in der Nacht nichts auf dem Red Run verloren hatte. Aber es war ihr seit Langem egal, was richtig oder falsch war. Überhaupt war ihr alles egal. Und zwar seit genau einem Jahr und sechs Tagen – seit der Nacht, in der ihr Bruder ums Leben gekommen war. Die Leute hatten von einem Unfall gesprochen, als ob es das irgendwie leichter machen würde. Dabei war allen klar, dass es auf dem Red Run keine Unfälle gab.
    In jener Nacht hatte Edie ihre Haare mit der Handarbeitsschere ihrer Mutter abgeschnitten – der mit den orangefarbenen Plastikgriffen. Es war auch die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher