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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut
Autoren: Colin Cotterill
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gefragt und nicht ernstlich irgendwas verstanden hatte, stieß ich eher zufällig auf Old Mels Plantage. Hier unten sind die Palmenfelder nicht umzäumt. Man könnte mit einem Sattelschlepper vorfahren und mit vierzig Bäumen abhauen, wenn man wollte. Doch das tat niemand. Ich war ganz wacklig und verschwitzt von der Fahrt und schob Mairs Fahrrad den Sandweg hinauf. Da waren Hunde. Ich bin keine große Hundefreundin, und die beiden gaben sich auch keine Mühe, mich zu bekehren. Sie knurrten und sabberten an meinen Knöcheln herum, den ganzen Weg bis zum hinteren Ende des Grundstücks. Dort parkte ein Polizeiwagen, und weiter hinten sah ich einen Pulk von Schaulustigen. In den USA wäre man vielleicht auf eine Polizeiabsperrung samt Aufpasser gestoßen, doch Pak Nams Freunde und Helfer posierten für Fotos vor einer rapide wachsenden Grube. Alle Nachbarn hatten Hacke oder Spaten mitgebracht und gruben den VW vorsichtig aus wie einen versteinerten Dinosaurier.
    Sie hatten sich auf das vordere Ende konzentriert, und der Fahrer und seine Begleitung blickten starr durch eine erstaunlich saubere Windschutzscheibe. Mir war wohl bewusst, dass sie nur noch Skelette waren, doch sie wirkten wie ein entspanntes Pärchen auf einem Wochenendausflug. Der Fahrer hielt das Lenkrad fest, und obwohl ihm sein Sicherheitsgurt und der Bart schon lange auf den Schoß gefallen waren, hielt die John-Lennon-Mütze noch immer seine langen Haare fest. Solches Glück war seiner Freundin nicht vergönnt. Sie war kahl wie eine Billardkugel, und nur ihre Statur und eine dicke, hawaiianische Kette aus Glas- und Plastikperlen um den Hals verrieten ihr Geschlecht.
    Anfangs ignorierten mich die Grabenden und die posierenden Polizisten, und ich hätte ohne Weiteres zum Auto in der Grube schleichen und fotografieren können, was ich wollte. Offensichtlich führte man keine sonderlich eingehenden Tatortermittlungen durch. Die Situation verlangte nach Klärung, also beschloss ich, mein Glück zu versuchen. Ich marschierte zu den Polizisten, stellte mich mit dem Rücken vor die klickenden Kameras und sagte, wobei ich bewusst auf die Vergangenheitsform verzichtete: »Meine Herren, ich bin Jimm Juree, stellvertretende Kriminalredakteurin bei der Chiang Mai Mail . Ich bin hier, um über diesen Fall zu berichten.«
    Die Fotografen hielten hörbar die Luft an, und die Grabenden schulterten ihre Werkzeuge. Ich bezweifelte, dass die beiden jungen Polizisten je von der Mail gehört oder überhaupt je eine Zeitung gelesen hatten, doch ich blieb unbeirrbar. Wie ein Revolverheld ließ ich meine Hand über der Kamera schweben, die von meiner Schulter hing. Nach mehreren Sekunden überlegte ich schon, ob sie vielleicht stumm waren, doch schließlich meldete sich der jüngere der beiden zu Wort.
    »Ich habe einen Vetter in Chiang Mai«, sagte er. »Kovit.«
    Ich fürchtete, er würde mich vielleicht fragen, ob ich ihn kannte, doch stattdessen überraschte er mich damit, dass sein Vetter der stellvertretende Direktor des Zoologischen Gartens war und lukrative Angebote aus Europa ausgeschlagen hatte, um in Chiang Mai zu bleiben, weil sie dort versuchen wollten, Pandas zu begatten. Er meinte ein Panda den anderen … glaube ich. Der andere Polizist fügte die kaum bekannte Tatsache hinzu, dass Pandas zwanzig Jahre leben und die Weibchen nur über ein Zeitfenster von drei Jahren verfügen, in dem sie fruchtbar genug sind, um schwanger zu werden. Er fügte hinzu, sie hätten für Sex nicht viel übrig, und die Weibchen bestimmten, wann und wo sie es »trieben«.
    Das war alles faszinierend und offensichtlich ein Thema, das sie ausgiebig diskutiert hatten, doch würde es mir einen Exklusivbericht über den tiefergelegten VW-Bus einbringen? Die Antwort kam in einem zweiten braun-
beigen Wagen, aus dem Police Major Mana stieg, der Chef des Reviers von Pak Nam. Er war ein Mann in den besten Jahren, dessen dunkles Gesicht so poliert aussah wie seine Schulterstücke. Er war klein und bewegte sich, wie man es von einem Panda in zu enger Uniform erwarten würde. Ich fragte mich, ob die beiden Streifenpolizisten wohl das-
selbe dachten.
    Aus dem Wagen kletterte außerdem ein dürrer, junger Polizist mit einer altmodischen Kamera, die mehr zu wiegen schien, als er tragen konnte. Major Mana verbrachte mehrere Minuten damit, seinen Hut zurechtzurücken und sich im Außenspiegel zu betrachten, dann marschierte er an mir und den beiden Beamten vorbei zur Grabungsstelle. Er hielt etwas
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