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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut
Autoren: Colin Cotterill
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Abstand und registrierte mit finsterer Miene, dass die Arbeiten unterbrochen waren. Der Fotograf folgte ihm, richtete sein Objektiv ein und machte ein hübsches Foto von seinem Major bei der Besichtigung des Tatorts – falls es etwas geworden war, falls es weder über- noch unterbelichtet und der Film nicht in der Kamera geschmolzen war. Digital mochte vielleicht nichts für Liebhaber sein, aber wenigstens musste man nicht einen ganzen Tag warten, bis man sah, was man vermasselt hatte.
    Nachdem er seiner Pflicht offenbar Genüge getan hatte, nahm Major Mana seinen Hut ab, tupfte seine Stirn mit einem Tuch und machte sich wieder auf den Weg zu seinem Auto. Einer der beiden Polizisten trat vor und salutierte, als er an ihm vorüberkam.
    »Major, Sir«, sagte er. »Das hier ist Nong Jimm von der Presse in Chiang Mai.«
    Ich konnte es nicht leiden, wenn man mich »Kleine Schwester« nannte. Es ist so, als könne man, nur weil man klein und faltenlos war, unmöglich so alt sein wie sie. Vielleicht lag es an der Hitze oder am ehrlichen Respekt vor der Zunft der Journalisten, doch plötzlich sprühte der Major vor Charme. Er hatte es derart eilig, seine Hände zu einer unverdienten Erwiderung meines wai zusammenzubringen, dass er seine hübsche Mütze fallen ließ.
    » Nong Jimm«, sagte er, trat beiseite, damit die beiden Beamten seine Mütze aufheben und entstauben konnten. »Willkommen in unserer Provinz. Wenn ich irgendetwas tun kann, um Ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, so müssen Sie es nur sagen.«
    Ich kannte diese Sorte nur zu gut. Aalglatt wie eine Schlange in Motoröl. Ich beschloss, seinen Irrtum zu nutzen, bevor er mitbekam, dass ich es mit dem Fahrrad nur eine halbe Stunde bis nach Hause hatte.
    »Sobald ich mich hier etwas umgesehen habe, wäre ich Ihnen dankbar, wenn wir uns ein wenig unterhalten könnten«, sagte ich. Das Sonnenlicht auf seinen Zähnen blendete mich.
    »Dann will ich Sie gern zu einem Arbeitsessen einladen«, sagte er. »Wenn Sie hier fertig sind, natürlich.«
    Das passte mir. Es lag in meinem Interesse, meine lokalen Gesetzeshüter kennenzulernen, und vielleicht bekam ich zur Abwechslung mal etwas zu essen, das nicht schwimmen konnte. Eine schöne Scheibe Schweinebraten würde mich glücklich machen. Eine Scheibe Schinken. Ein paar Scheibchen Wild. Liebend gern nahm ich eine Stunde Schauspielerei auf mich, wenn ich dafür einen Teller mit irgendwas bekäme, das noch vor Tagen auf einer Wiese herumgetollt war. Langsam verlor ich mein fleischfressendes je ne sais quoi .
    Es überraschte mich direkt, wie sehr ich die Zeit an dieser Ausgrabungsstelle genoss. In meinem ganzen Jahr in Chumphon hatte ich aus unerfindlichem Grunde bisher nicht das Vergnügen gehabt, mich mit einem Haufen arbeitsloser Männer herumzutreiben. Mehrere waren in Opa Jahs Alter, doch sie schwangen ihre Hacken mit der Kraft von Männern, die früher verletztes Vieh auf ihren Schultern getragen hatten. Und sie fanden alles komisch. Das Graben war ein Riesenspaß. Witze und Gelächter gingen hin und her, doch ich hätte eine Nordthai/Südthai-Simultanübersetzung gebraucht, um auch nur die Hälfte davon zu verstehen. Das bei Weitem Lustigste an diesem Morgen war die forensische Katastrophe.
    Ich hatte einige Digitalbilder der beiden Skelette gemacht, bezweifelte jedoch, dass Zeitungen wie die Mail sie verwenden würden. Aber ich war sicher, dass ich sie an 191 verkaufen konnte, diese morbide Zeitschrift in Bangkok. Für die war nichts zu blutrünstig. Ich überlegte gerade, wie ich diese Fotos noch etwas aufpeppen konnte, als Onkel Ly, der Komiker unter den Gräbern, durch das Loch im Dach in den kleinen Bus kletterte und zwischen den Skeletten posierte. Sein Neffe machte ein Foto mit seinem Handy, und gerade stellte ich mich an, um es ihm nachzutun, als das Unvermeidliche geschah.
    Wahrscheinlich hätte sich schon mal jemand fragen sollen, wieso die Skelette eigentlich so unversehrt sein konnten, trotz des eklatanten Mangels an körpereigenen Schrauben und Klemmen, die uns alle zusammenhalten. Wie dem auch sei, sie hielten nicht, denn sobald Onkel Ly sein Peace-Zeichen hinter der Schulter des Fahrers gemacht hatte, fiel Letzterer in sich zusammen wie ein Stapel Münzen. Wir alle schwiegen. Dann, als wären die beiden durch einen unsichtbaren Faden miteinander verbunden, neigte die Beifahrerin ihren Kopf ganz leicht nach rechts und nickte, bevor sie – treue Gefährtin, die sie war – ihrem
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