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013 - Das Milliarden-Heer

013 - Das Milliarden-Heer

Titel: 013 - Das Milliarden-Heer
Autoren: Timothy Stahl
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Dienstag, 7. Februar 2012,
    Morgen würde die Welt untergehen. Und heute spielte sie verrückt Genau genommen tat sie das schon seit einigen Monaten. Seit bekannt geworden war, dass ein Komet auf die Erde zu raste. Eine Kanonenkugel aus dem All sozusagen, die Verheerungen anrichten würde, über die man bislang nur Vermutungen an stellen konnte. Weil ein solcher Fall in den paar Jahr tausenden die von der menschlichen Geschichtsschreibung abgedeckt wurden, noch nicht vorgekommen war. Der letzte-Einschlag dieser Größe lag etwa fünfundsechzig Millionen Jahre zzurück. Er hatte nicht nur die Herrschaft der Saurier beendet,sondern gut neunzig Prozent allen Lebens auf Erden ausgelöscht…
    Die Menschen hatten unterschiedlichste Wege gefunden, um mit der drohenden Katastrophe fertig zu werden. Vor allem in den großen Städten der Welt hatten Chaos und Anarchie Einzug gehalten. Plünderungen waren an der Tagesordnung, und die Gesetzeshüter standen dieser Entwicklung machtlos gegenüber, vielleicht auch gleichgültig. Sekten, die Erlösung versprachen und alles Mögliche und Unmögliche in den Kometen hinein interpretierten, erlebten irrsinnigen Zulauf. Und, und, und…
    Carl Ranseier ging auf ganz eigene Weise mit dem Ende der Welt um: Er ließ die leere Bierflasche links von seinem Sessel zu Boden klirren, rülpste, griff sich mit der Rechten ein frisches Bitburger - und zugleich gab er sich alle Mühe, diese unheimlichen Blicke aus dem Nichts, die wie auf dünnen Beinen über seine Haut kribbelten und trippelten, zu ignorieren. Aber das unangenehme Gefühl blieb hartnäckig. Ein Gefühl, als habe sich winziges Ungeziefer unter seiner Kleidung eingenistet.
    Paranoia, übte sich Ranseier in Selbstdiagnose. Kein Wunder, so wie die Dinge lagen. Denn die Dinge lagen, mit Verlaub, beschissen…
    Nichtsdestotrotz glaubte sich Carl Ranseier gerüstet, mochte da kommen, was wollte. Gerüstet jedenfalls so gut es ging. Er hatte Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs gebunkert, vor Wochen schon, noch ehe die Regale sämtlicher Supermärkte leer geräumt waren. Danach hatte sich Ranseier in seinem schmalbrüstigen Häuschen in der Aachener Altstadt buchstäblich verbarrikadiert. Und seitdem wartete er. Darauf, dass die Welt, wie er sie kannte, zur Hölle ging.
    Was ihm sehr viel schwerer fiel, als er es sich anfangs vorgestellt hatte. Weil es ihm einfach nicht gelang, seine Gedanken abzuschalten, während er mehr oder minder tatenlos da saß und des Kometen harrte, der nach seinen Entdeckern Marc Christopher und Archer Floyd benannt worden war und angeblich mit einer Geschwindigkeit von fünfzig Kilometern pro Sekunde auf die Erde zu raste.
    Zum einen war da dieses boshafte Stimmchen, das direkt in Ranseiers Kopf zu wispern schien und ihm unentwegt vorhielt, wie ereignislos sein Leben doch gewesen war, mehr noch, in welchem Maße er es verschwendet hatte. Welche Chancen sich ihm geboten hatten, die er samt und sonders nicht genutzt, mitunter nicht einmal erkannt hatte! Und dass es dem Rest der Menschheit vollkommen egal sein würde, wenn er den Löffel abgab. Niemand würde ihn vermissen. Niemand würde ihm einen schönen Spruch in den Grabstein gravieren.
    Andererseits - Ranseier zuckte die Schultern und nahm einen Schluck - würden wohl weder er noch sonst jemand überhaupt einen Grabstein erhalten; ja nicht einmal ein anständiges Begräbnis würde drin sein. Denn sollten die Eierköpfe Recht behalten, dann mochte sich die Welt morgen Nachmittag in ein einziges gigantisches Massengrab verwandeln!
    Die Fernsehsender wurden nicht müde, einander im Ausmalen dieser Schreckensvision zu übertrumpfen. Und die verdammte Flimmerkiste war der andere Grund, aus dem Carl Ranseier nicht die ersehnte Ruhe und Gelassenheit fand.
    Er brachte es nicht fertig, das Gerät abzuschalten. Es lief seit Tagen, und über die Bild-im-Bild-Funktion verfolgte Ranseier die Sendungen mehrerer Stationen parallel zueinander. Wenn sie sich auch nicht allzu sehr voneinander unterschieden. Allesamt predigten sie den Weltuntergang zerrten so genannte Experten vor die Kameras, zeigten wieder und wieder geradezu abartig detaillierte Computersimulationen dessen, was der Komet anrichten konnte, und den größten Spaß hatte man scheint's daran, den Zeitpunkt des Einschlags auf die Sekunde genau vorher zu berechnen. Und am Bezeichnendsten für die Dekadenz dieser Welt war dabei die Tatsache, dass es immer noch Unternehmen gab, die Werbespots schalteten.
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