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Der Tote trägt Hut

Der Tote trägt Hut

Titel: Der Tote trägt Hut
Autoren: Colin Cotterill
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Nakhon Sri Thamarat mehr Morde gab als in jeder anderen Provinz des Landes. – Nicht sonderlich relevant, da Chumphon zwei Provinzen entfernt war. – Und ich? Verdammt. Ich war nur einen Herzinfarkt entfernt vom Chefsessel. Ich liebte meinen Job. Ich würde Chiang Mai ebenso wenig freiwillig verlassen, wie ich die Nacht in einer Wanne mit Wieselspucke verbringen wollte. Ich konnte nicht weg. Ich wollte nicht.
    Das schien Mair nichts auszumachen. Im Geiste hatte sie die smogverhangene Stadt im Norden längst hinter sich gelassen und nippte Eiswasser auf einem Balkon, mit Blick über die sanft plätschernde Brandung des Golfs.
    »Hört auf zu jammern«, sagte sie und lächelte. »Eure Mair ist groß und hässlich genug, um auf sich selbst aufzupassen. Geht ihr nur und amüsiert euch. Macht euch um mich keine Gedanken. Ich kann immer noch Personal einstellen.«
    Ich glaube nicht, dass es sarkastisch klingen sollte. Ich glaube, sie dachte wirklich, sie könne es allein schaffen.
    »Es ist nur eine kleine Ferienanlage«, sagte sie. »Nur fünf Zimmer. Das kann auch nicht schwieriger sein, als vier lebhafte Kinder großzuziehen.«
    Sofern sie uns nicht etwas verschwiegen hatte, waren wir eigentlich nur zu dritt, aber Zahlen wurden für unsere Mair langsam kompliziert. Tatsächlich wurde so manches für sie doch sehr verwirrend. Und da waren wir nun, zwei Monate später, mitten im Monsun, Opfer familiärer Verpflichtungen, und klammerten uns verzweifelt an den Rand der Erde: Mair, ich, Arny und Opa Jah. Sissi zog mit ihren Computern und ihren Fotoalben in eine kleine Einzimmerwohnung in Chiang Mai. Sie hatte Probleme. Eines dieser Probleme bestand darin, dass sie nicht in die Öffentlichkeit ging, ein bisschen wie diese Wie-heißt-sie-gleich aus Boulevard der Dämmerung . Und »Öffentlichkeit« bezog sich speziell auf verschwitzte Fischerdörfer auf dem Land. Sie war hin- und hergerissen zwischen ihren familiären Pflichten und ihrem eigenen Leben. Allerdings war sie nicht zum ersten Mal hin- und hergerissen und wusste, wie sie damit umzugehen hatte.
    Arny und ich widmeten unsere Tage dem Hüten von Mair und unsere Worte dem Schimpfen auf alles, was mit unserem Leben nicht stimmte. Wir waren in ein von Kokos-
hainen umgebenes Dorf namens Maprao gezogen. Der Name bedeutet »Kokosnuss«. Wir sitzen mitten in einer Bucht namens Glang Ow, was »in der Mitte der Bucht« bedeutet, und das nächstgelegene Städtchen liegt an der Mündung eines Flusses. Es heißt Pak Nam. Das muss ich Ihnen wohl nicht übersetzen. Pak Nam liegt an der Mündung des Flusses Lang Suan, der durch den Lang-Suan-Distrikt fließt und von der Stadt Lang Suan herkommt. Lang Suan bedeutet »hinter dem Garten«, sodass wir wohl davon ausgehen können, dass der Fluss einmal bei irgendwem hinterm Garten entlanggeflossen ist.
    Hier unten gibt es achtundzwanzig Dörfer, die Maprao heißen, dreißig Buchten namens Thai Bay, vierunddreißig namens Middle Bay und neununddreißigmal River Mouth. Im Süden sind eintausendzweihundertsechsundsiebzig Dörfer nach Obst oder Gemüse benannt. Exakt zweitausendfünfhundertsiebenundsechzig tragen den Namen einer Person, die dort einmal gelebt hat. Genau dieser Mangel an Einfallsreichtum spiegelt für mich den Süden wider. Hier unten interessiert sich bestimmt keiner hinreichend dafür, dass er sich extra vor den Computer setzen würde, um das auszurechnen. Hätten Südthais Australien kolonisiert, wären die Olympischen Spiele im Jahr 2000 vermutlich in Großer Hafen eröffnet worden.
    Das bearbeitete Bild vom Gulf Bay Lovely Resort & Restaurant war ausgesprochen schmeichelhaft. Der Laden selbst war ein Loch, umzingelt von Sümpfen voller Moskitos, drei Monate im Jahr bombardiert vom Monsun, meilenweit von der nächsten Touristenroute entfernt und … deprimierend. Bei jedem Sturm holte sich die See etwas mehr vom Strand, und als wir ankamen, fanden wir ein sichelförmiges Ufer vor, das bei der nächsten Flut ins Wasser zu kippen drohte. Ungeachtet der Mängel dieses Orts arbeitete Mair im spärlich bestückten Kiosk und sang viel. Arny kümmerte sich um die Zimmer, und ich zog den Kürzesten und bekam die Verantwortung für die Küche. Fast zehn Monate hatte ich gelitten, toleriert und mitgespielt, wenn auch nicht kommentarlos, bis zu jenem wundervollen Tag, als Käpt’n Kow auf seiner Honda ins Dorf kam und verkündete, man habe zwei Leichen in einem vergrabenen VW-Bus gefunden.
    Nachdem ich zehn Minuten nach dem Weg
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