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Der Tote im Grandhotel

Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel
Autoren: Eva Bellin
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wirklich schlechter treffen können mit einem Schwiegersohn.
    Erstens war Lucie nicht gerade eine Schönheit gewesen. Sie war
    eher der Typ Dame, der im etwas reiferem Alter an Attraktivität zu-legte und bei dem man die teure Kleidung und den eleganten Rah-
    men als zugehörig betrachtete.
    Lucie hatte einen guten Charakter. Aber es war wohl doch besser, sie nicht auf die Probe zu stellen. Ohne Frage ähnelte sie im Wesen ihrem Vater. Die Mutter, dieses schüchterne Weibchen, hatte wohl nichts zum Weitergeben gehabt. Sie war sang- und klanglos an Krebs gestorben.
    Zweitens hatte Richard Betriebswirtschaft studiert, war also einschlägig vorgebildet. Mancher hätte sich nach so einem Schwieger-5
    sohn die Finger geleckt. Der Alte nicht. Aber Lucie hatte ihren Kopf durchgesetzt. Ihr war der Alte nicht gewachsen.
    Richard hatte als Trainee bei der Bank gearbeitet, als er Lucie im Tennisclub kennenlernte. Daß sie die einzige Tochter eines erfolg-reichen Unternehmers war, hatte seine Begeisterung durchaus beflü-
    gelt. Es war keine Liebe gewesen. Doch im Laufe der Jahre war es so etwas geworden. Und dann war da das Baby, Angela, sein Töch-terchen, sein Liebling. Angela liebte ihn auch sehr. So sehr ein Kind und ein Teenager, der sie inzwischen war, eben ihren Papi lieben konnte. Besonders wenn er ihr schöne Sachen schenkte und
    ihre Wünsche erfüllte.
    Der alte Hübner hatte die Firma an seine Tochter Lucie vererbt
    und seine Enkelin Angela zur Nacherbin bestimmt. Richard Hor-
    nung war draußen. Offiziell jedenfalls.
    Aber schließlich leitete er die Firma. Unter Anwendung seines
    modernen Konzeptes hatte er ihr zu neuem Gewicht verholfen. Er
    hatte Marktlücken erspäht, die von den Giganten auf dem Stahlsektor nicht ausgefüllt wurden. Nischenprodukte, für die ›Hübner
    Stahl‹ inzwischen bekannt war.
    Richard kam an diesem Abend gegen sieben Uhr aus der Firma
    nach Hause. Er ließ seinen leitenden Angestellten viel Spielraum für Entscheidungen, deshalb lief der Laden so gut.
    »Sie haben die Verantwortung. Ich setze auf Ihre Erfahrung und
    auf Ihre Fähigkeiten«, sagte er stets. Wenn einer einen Fehler machte, sprach er ruhig mit ihm.
    »Ich weiß, daß dies ein Ansporn für Sie ist. Kommt eben nicht
    wieder vor, nicht wahr? Auch mir passiert mal ein Fehler. Wir werden das Malheur jetzt nach Kräften ausbügeln, mein lieber …«
    Und Rüdiger Schmidt, Hans Windung oder der gute alte Scheib-
    ner entfernten sich erleichtert und total motiviert. Sie mochten 6
    ihren Chef zwar nicht direkt, aber sie schätzten seine Führungs-qualitäten. Das genügte vollauf.
    Richard öffnete das Garagentor vom Auto aus mit der Fernbe-
    dienung. Als er dann die Villa betrat, stellte sich das vertraute Wohlgefühl ein. Es war sein Haus. Lucie und er hatten es erst vor rund zehn Jahren bezogen. Zwei Jahre nach dem Tod des Alten. Er hatte es einfach nicht länger ausgehalten in dessen lausigem Protzkasten, der so gar nichts mit ihm zu tun hatte.
    Alles hatte dort den Stempel des Schwiegervaters getragen. Hier dagegen zeugte jeder Winkel von Luxus und Geschmack. Und von
    seiner besonderen Fähigkeit, Wünsche und Ideen in die Tat umzu-
    setzen.
    Seine Frau kam ihm in der Diele entgegen. Lucie, in einem wei-
    ßen Wollkleid, die großen Naturperlen in den Ohren, eine kühle
    und elegante Frau. Eisfee. Selbst in ihrer Stimme klirrten Eiskris-talle.
    Sie küßten sich leicht auf den Mund. Lucie betrachtete ihren
    Mann forschend. Einen Augenblick lang fürchtete er, sie könnte
    ihm sein Abenteuer ansehen, den Geruch der fremden Frau wahr-
    nehmen oder eine Veränderung seiner Ausstrahlung wittern. Aber
    sie fragte: »Wie war Berlin? Anstrengend natürlich. Hast du erreicht, was du wolltest? Du siehst aus, als ob du ein Bad und einen Whisky brauchst.«
    »Du hast mal wieder recht. Fangen wir mit dem Whisky an? Bei
    Tisch berichte ich dann in aller Ruhe. Wo steckt Angela?«
    »Sie übernachtet heute bei Claudia. Ganz dicke Freundschaft im
    Moment.«
    »Bist du sicher, daß Claudia sich bei näherem Hinsehen nicht als Claudius entpuppt?«
    »Sicher kann man nie sein. Ich kenne Claudia zwar, aber viel-
    leicht wird sie nur vorgeschoben. Andererseits wissen wir, daß Angela ein recht vernünftiges Mädchen ist. Sie haben ein distanziertes 7
    Verhältnis zum Sex heutzutage. Du weißt doch: Schon als Kind,
    mit sieben etwa, konnte sie aus Knete einen kleinen Penis formen.
    Wir waren damals regelrecht erschrocken.«
    »Wirklich? Ja, wenn
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